Laut Norwegischer und Schweizer Behörden gilt das Freihandelsabkommen zwischen der europäischen Freihandelsvereinigung EFTA und Marokko nicht für die Westsahara. Dieses hat millionenschwere Konsequenzen für Firmen die systematisch Importe aus der Westsahara fälschlich als marokkanisch deklarieren und es zeigt, wie sehr die europäische Kommission auf Kollisionskurs mit dem Rest der internationalen Gemeinschaft steht.
„Da Marokkos Herrschaft über die Westsahara international nicht anerkannt ist, gilt die Westsahara auch in Bezug auf das Freihandelsabkommen nicht als marokkanisches Gebiet. Das Freihandelsabkommen gilt folglich nicht für Güter aus der Westsahara.“ So äußerte sich gestern im norwegischen Parlament der norwegische Außenminister Jonas Gahr Store zum Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und Marokko.
Die Klarstellung des Ministers folgt einem Importskandal, der in den letzten Wochen in den norwegischen Medien aufgedeckt wurde und in den der Präsident des norwegischen Handelsverbandes (NBA), Millionen Euro an Steuerhinterziehungen, Minister und Flüchtlinge involviert sind. Im Zuge dieses Skandals wurde ersichtlich, dass die Praxis der EFTA sich deutlich von der Politik unterscheidet, die die europäische Kommission in Bezug auf den Handel mit Waren aus der besetzten Westsahara verfolgt.
Millionen Euro an Steuerhinterziehungen
Die EFTA hat 1997 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Marokko abgeschlossen. Exporte aus Marokko in die vier EFTA Staaten wurden somit stark vereinfacht, Das Abkommen schaffte allerdings auch eine Gesetzeslücke, die es Importeuren ermöglichte, Produkte aus der besetzten Westsahara als marokkanische Produkte deklariert am Zoll vorbei zu exportieren. Und genau das ist in Norwegen geschehen. 10 Jahre lang kaufte eine der führenden Importfirmen heimlich Fischöl für die landwirtschaftliche Verwendung aus der Westsahara.
Jährlich führte der norwegische Fischölimporteur GC Rieber 12 - 20.000 Tonnen Fischöl aus der Westsahara ein, die er fälschlich als marokkanisch deklarierte und betrog damit die norwegische Behörden um bis zu 50 Millionen Euro.
Grund für diesen Betrug ist, dass Norwegen die Annexion der Westsahara durch Marokko nicht anerkennt. Sowohl Norwegen als auch die Schweiz, die beiden größten EFTA Staaten, haben erklärt, dass das EFTA Freihandelsabkommen mit Marokko nicht für Produkte aus der Westsahara gilt.
Der Präsident ist zurückgetreten
Noch strittiger wird die Affäre dadurch, dass der Importeur GC Rieber sich im Besitz des Präsidenten des norwegischen Unternehmensverbands befindet, und dass bei seinem Kunden in Norwegen der derzeitige Finanzminister dieser Importfirma vorstand.
Während der letzten Wochen ist der Präsident des Unternehmensverbandes auf Grund dieser Affäre zurückgetreten, und das norwegische Finanzministerium ermittelt gegen seine Firma, während der Finanzminister Sigbjørn Johnsen selbst durch ein anderes Mitglied der Regierung ersetzt wurde, da seine Unbefangenheit in dieser Sache in Frage gestellt werden könnte. Auf eine Anfrage der Konservativen Partei, erklärte der Finanzminister letzte Woche im Parlament, er habe von den Importen, die während seiner Amtszeit stattfanden nichts gewusst. Der Handel hat entgegen der von der norwegischen Regierung verfolgten Politik stattgefunden. Die norwegische Regierung verbietet Firmen in diesem Gebiet kommerziell tätig zu werden und hat nun eingegriffen, um den Import von Waren aus der Westsahara nach Norwegen zu stoppen. Die norwegischen Importe von Fischöl aus den besetzen Gebieten, mit denen jährlich Profite bis zu 17 Millionen Euro erzielt wurden, endeten vergangen April.
Norwegen liegt mit seinem klaren Ausschluss der Westsahara vom Freihandelsabkommen in Einklang mit der Schweiz, dem zweiten bedeutenden EFTA Mitglied. „Da die Schweiz die marokkanische Annexion der Westsahara nicht anerkennt, gilt das Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und Marokko nicht für die Westsahara,“ erklärte der Vorsitzende des Freihandelsabkommens am Staatssekretariat für Wirtschaft SECO 2007, als das Schweizer Komitee für ein freies, reguläres Referendum in der Westsahara (ARSO) Tomaten-Importen in die Schweiz nachging.
Die EFTA, das „Licht Europas“, besteht aus vier Europäischen Staaten, der Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island. Die Organisation arbeitet parallel zur EU, allerdings eng mit ihrem größeren Bruder verbunden. Die EFTA wurde 1960 ursprünglich auf Initiative des Vereinigten Königreiches gegründet.
Mit dem Ausschluss der Westsahara aus dem Freihandelsabkommen hält sich die EFTA mehr an die Richtlinien der UN als die EU.
„Die EU sollte sich die USA und die EFTA zum Vorbild nehmen“
Kein einziger Staat erkennt die Besetzung der Westsahara durch Marokko an. Trotzdem ist die EU in Handelfragen, die dieses Gebiet betreffen, gespalten. Obwohl sowohl die UNO als auch der Juristische Dienst des Europäischen Parlamentes deutlich erklärt haben, dass kommerzielle Aktivitäten in der Westsahara internationales Gesetz verletzen, unterstützt die Europäische Kommission den Handel mit Produkten aus dem Gebiet mittels einer bewussten Fehlinterpretation der UN Empfehlung von 2002.
Schuld an dieser Politik sind einige wenige EU-Staaten, die große Investitionen in dem besetzten Gebiet getätigt haben und mit Marokko in enger Verbindung stehen.
„Die EU bezahlt die marokkanische Regierung dafür, dass sie in Gewässern fischt, die nicht zu Marokko gehören. Dies ist in der europäischen Fischerei ohne Beispiel. Und es bedeutet einen systematischen Missbrauch von EU-Steuergeldern. „So wird in der Praxis die spanische Fischereiflotte von den reicheren EU-Ländern dafür subventioniert, dass sie internationales Recht in der Westsahara verletzt,“ erklärte die Koordinatorin von Western Sahara Resource Watch, Sara Eyckmans. Die EU sollte sich die EFTA und die USA zum Vorbild nehmen, die beide die Westsahara von ihren Freihandelsabkommen ausschließen“, sagte Eyckmans weiter.
Die EU beruft sich für ihre Subventionen des Abfischens der See vor der Westsahara auf eine Erklärung der UNO aus dem Jahre 2002. Die Kommission hat diese UN-Erklärung wiederholt falsch zitiert, was den Verfasser der Erklärung, den ehemaligen Untergeneralsekretär für Rechtsfragen, dazu brachte zu sagen, er „schäme“ sich ein Europäer zu sein. Einige EU-Staaten stellen sich gegen die Ansichten der EU-Kommission und sind der Meinung, dass die Kooperation mit Marokko nicht auf die Westsahara ausgeweitet werden darf, einem Gebiet, an dessen Entkolonialisierung die UNO noch immer arbeitet.
Letzte Woche lieferte die norwegische Reederei Green Reefers tiefgefrorenen Fisch nach Russland, der unter Verletzung des Völkerrechts in der besetzten Westsahara gefangen wurde.
Mit einem einzigen beteiligten Hafen ist Portugal erstmalig größter Gasexporteur in die besetzte Westsahara.
Nahezu das gesamte Erdöl, das 2022 in die besetzte Westsahara gelangte, stammt aus Raffinerien in Spanien.