Glencore stösst auf Widerstand
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Der Schweizer Rohstoffgigant will heftig umstrittene Ölbohrungen im besetzten GebietWestsahara durchführen. Sonntagzeitung, Schweiz, 26. Oktober 2014.
Veröffentlicht 27. Oktober 2014


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Bern - Die Atwood Achiever ist ein monströses Schiff: eine schwimmende Insel mit helikopterlandeplatz, so gross wie zwei Fussballfelder, gebaut, um in Tiefen bis 12 Kilometer nach Öl zu suchen. Mit derart gigantischen Schiffen wollen verschiedene Grosskonzerne Erkundungsbohrungen in einem der politisch umstrittensten Gebiete Afrikas machen: der Westsahara. Im Dezember soll der Atwood Achiever beginnen, bald werden weitere Schiffe folgen. Dabei wird auch ein Unternehmen aus der Schweiz mitmischen. Wie jetzt bekannt wird, plant der Rohstoffgigant Glencore ebenfalls Erkundungsbohrungen in der Gegend. Seit kurzem ist der in Zug beheimatete Konzern an Lizenzen von zwei Offshore-Fördergebieten beteiligt. Erste Bohrungen sollen laut einem Sprecher schon bald erfolgen.

UNO-Friedensbemühungen werden durch Grosskonzerne behindert

Politisch sind diese Explorationen he"ig umstritten. Die Konzerne, die mit solchen Schiffen bohren wollen, verletzen aus Sicht der Nichtregierungsorganisation Western Sahara Resource Watch (WSRW) internationales Recht. Das Problem laut WSRW: Marokko hat die Westsahara mehrheitlich besetzt und vergibt die Lizenzen auf diesem Gebiet ohne Einwilligung der einheimischen Bevölkerung, der Saharaui. Laut einem UNO-Gutachten sei dies aber eine Voraussetzung für die Ausbeutung von Bodenschätzen eines fremden Gebiets – und das gelte bereits für Erkundungsbohrungen, wie sie der Atwood Achiever machen werde und Glencore plant. Die WSRW spricht in ihrem Report denn auch von einer Plünderung der Westsahara.

Der Glencore-Sprecher hält hingegen fest, die Bohrlizenzen stünden mit dem erwähnten UNO-Gutachten im Einklang, zumal es derzeit bloss um Erkundungsbohrungen gehe. Das Papier besage, dass die Verträge für die Erkundungsbohrungen nicht illegal seien, «solange sie nicht unter Missachtung der Bedürfnisse und Interessen der Menschen in diesem Gebiet stattfinden». Laut der WSRW sind die Saharaui allerdings mit den Plänen der Rohstoffonzerne nicht einverstanden.

Marokko hält die Westsahara, eine frühere spanische Kolonie, seit den 70er-Jahren besetzt. Kein Land hat dies je akzeptiert. Mittlerweile kontrolliert die Armee der Saharaui, die Frente Polisario, bloss noch ein Drittel der ursprünglichen Landfläche und nur einen winzigen Abschnitt an der Küste. Die Marokkaner verteidigen das besetzte Territorium mit einem 2000 Kilometer langen verminten Sandwall. Über 100 000 Saharaui sind vor den Marokkanern geflohen – sie leben bis heute mehrheitlich in Flüchtlingslagern in Algerien.

Die UNO versucht seit Jahren, in diesem Konflikt zu vermitteln. Ein Referendum, das der Westsahara die Selbstständigkeit bringen könnte, scheiterte immer wieder am Veto Marokkos.

Genau diese Bemühungen könnten nun durch Konzerne wie Glencore behindert werden. Der Schweizer WSRW-Vertreter Emmanuel Martinoli befüchtet, dass die Ölbohrungen den UNO-Friedensprozess abermals verzögern. «Bei der Aussicht auf Ölgelder wird sich Marokko weiterhin gegen einen unabhängigen Staat Westsahara stellen», sagt er. Rohstoffexperte Oliver Classen von der Erklärung von Bern fügt an: «Solange Marokko als De-facto-Besatzungsmacht mit solchen Deals von den Rohstoffen der Westsahara profitieren kann, hat es keinen Anreiz für echte Verhandlungen.»

Auch der Luzerner Grünen-Nationalrat Louis Schelbert, Mitglied der parlamentarischen Gruppe Westsahara, ärgert sich. «Glencore ist auf einem permanenten PR-Trip, auch bei uns Parlamentariern, und betont dabei stets die Rechtmässigkeit des eigenen Handelns.» Aber dieser Fall zeige zum wiederholten Mal, dass die Umstände den Rohstoffgiganten offenbar wenig interessieren, «wenn es ums Geschäfft geht». Schelberts Mitstreiterin, die Genfer SP-Nationalrätin Liliane Maury Pasquier, will nun politisch aktiv werden und in der kommenden Session eine Interpellation einreichen.

Der Einsatz des Bohrschiffes kostet eine halbe Million Dollar pro Tag


Auch im Ausland stossen Konzerne, die in der Westsahara bohren, auf viel Kritik.

Der norwegische Pensionskassenfonds KLP verbannte deswegen die Aktien des französischen Unternehmens Total aus seinem Portfolio. Ethische Gründe hätten den Ausschlag dafür gegeben, hiess es beim Fonds, der Rentenansprüche von umgerechnet fast 50 Milliarden Franken verwaltet. Norwegen ist selber ein bedeutendes Ölförderland.

Glencore zeigt sich unbeeindruckt. In einer Stellungnahme hält der Konzern fest: «Als Unternehmen bekennen wir uns zu einer transparenten und ethischen Verhaltensweise in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht.»

Derweil durchpflügt das Bohrschiff Atwood Achiever das Meer vor der Küste Südafrikas – mit Kurs Richtung Norden. Im Dezember soll es erstmals den Bohrer in den Meeresgrund rammen. Ob die Konzerne ihre heiklen Westsahara-Pläne überdenken, ist fraglich. Sie haben bereits viel Geld investiert. Allein der Atwood Achiever kostet eine halbe Million Dollar pro Tag.

Dominik Balmer

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