Wie die EU dem Urteil des Gerichtshofs Rechnung tragen sollte
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Gestern hat der EU-Gerichtshof zwei bilaterale Abkommen zwischen der EU und Marokko für nichtig erklärt. WSRW hat folgende Empfehlungen an die EU-Institutionen.

30. September 2021

Am 29. September 2021 hat der Europäische Gerichtshof zwei Abkommen zwischen der EU und Marokko für nichtig erklärt, da sie das Territorium der Westsahara umfassen, ohne dass die Zustimmung des Volkes der Westsahara eingeholt wurde.

Und was nun?

Western Sahara Resource Watch (WSRW) empfiehlt folgende Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die EU das Urteil des Gerichtshofs befolgt.

Für weitere Informationen zu den unten beschriebenen Handlungsempfehlungen verweisen wir auf unseren Bericht Above the Law vom Dezember 2020.

 

An die Europäische Union:

  • unverzügliche Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Frente Polisario zur Entwicklung rechtskonformer Handelsbeziehungen mit dem Hoheitsgebiet Westsahara;
  • Einführung einer zwischen den Hochheitsgebieten Marokkos und der Westsahara streng differenzierenden politischen Praxis für das gesamte Spektrum der EU-Geschäfte, welche die Konformität mit EU-Rechtsvorschriften und -Rechtsprechung hinsichtlich des gesonderten und unterschiedlichen Status der Westsahara und der erforderlichen Zustimmung des sahrauischen Volkes gewährleistet;
  • Aufnahme einer Territorialklausel in alle EU-Abkommen mit Marokko, welche die Westsahara ausdrücklich ausschließt; Aufnahme einer rechtlichen Definition des „Hoheitsgebiets Marokkos“ in allen Rechtsakten der EU, in Übereinstimmung mit EU‑Rechtsprechung bezüglich des territorialen Geltungsbereichs;
  • Aussetzung aller derzeitigen und geplanten Finanzmittel der EU und der Mitgliedstaaten, die direkt oder indirekt zur Stärkung der Annexionspolitik und der demografischen Strategien Marokkos in diesem Gebiet beitragen; Einforderung aller von der EU in Bezug auf die Westsahara rechtswidrig gewährten früheren und gegenwärtigen Finanzmittel von Marokko;
  • Vorgehen des Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) bezüglich unbezahlter Zölle von importierenden Unternehmen mit Sitz in der EU, die sich aus der rechtswidrigen Anwendung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Marokko seit 2000 ergeben haben;
  • Ernennung eines:r EU-Sondergesandten für die Westsahara;
  • Aktive Unterstützung der Wiederaufnahme der UN-geführten Bemühungen zur Lösung des Konflikts und darauf bestehen, dass die UN-Mission (MINURSO) ein Menschenrechtsmandat erhält;
  • Unterstützung von sahrauischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsaktivist:innen in den besetzten Gebieten und in den Geflüchtetencamps;
  • Entwicklung einer öffentlichen Diplomatie gegenüber der marokkanischen Öffentlichkeit, um die eigene Politik gegenüber der Westsahara zu erläutern.

 

An die Europäische Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst:

  • Erstellung einer umfassenden Übersicht zur Bestandsaufnahme der EU-Marokko Beziehungen (einschließlich diplomatischer Beziehungen, Handel, technischer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit), um Bereiche zu ermitteln, in denen EU-Praktiken im Konflikt mit der EU-Gesetzgebung und Rechtsprechung in Bezug auf die Westsahara stehen;
  • Überwachung von Marokkos Einhaltung der Differenzierungsanforderungen der EU im Einklang mit der Pflicht der Europäischen Kommission als Hüterin der EU-Verträge, die ordnungsgemäße Umsetzung des EU-Rechts zu überwachen;
  • Ausschluss der von der marokkanischen Behörde ONSSA ausgestellten Herkunftsbezeichnungen aus den EU-Listen für autorisierte Import-Betriebe, die sich außerhalb der international anerkannten Grenzen Marokkos befinden;
  • Überprüfung und Sicherstellung der Einhaltung der Listen der genehmigten Betriebe in Marokko und Ausschluss von Betrieben, die sich in der Westsahara befinden, aus diesen Listen;
  • Ausschluss von Hygiene- und Lebensmittelsicherheitsbescheinigungen, die von marokkanischen Behörden für in der Westsahara hergestellte Produkte ausgestellt wurden;
  • Genehmigung von Exporten aus dem Hoheitsgebiet der Westsahara nur unter der Voraussetzung, dass die Frente Polisario im Namen des sahrauischen Volkes zugestimmt hat;
  • Anwendung der Zolltarife für Drittländer auf Einfuhren aus der Westsahara in die EU und entsprechende Anpassung des TARIC-Systems;
  • Anweisung an die nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten, die Herkunft der aus Marokko importierten Produkte zu überprüfen und - falls sie ursprünglich aus der Westsahara stammen – die Einfuhr in diesen Fällen falscher Ursprungserklärung zu verweigern;
  • Erstellung von Unternehmensrichtlinien auf EU-Ebene, die europäische Unternehmen über Geschäftstätigkeiten in besetzten Gebieten informieren, einschließlich der schwerwiegenden finanziellen Risiken, die sich aus Vereinbarungen, Verträgen, Genehmigungen, Hygiene- und Pflanzenschutzinspektionen durch die marokkanischen Besatzungsbehörden, die rechtlich ungültig sind, ergeben;
  • Unterstützung der lokalen Zivilgesellschaft bei der Überwachung der künftigen Handelsabkommen zwischen der EU und der Westsahara.

 

An das Europäische Parlament:

  • Die strikte und vollständige Einhaltung des EuGH-Urteils  durch die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten zu überwachen und auch durch ein jährliches Überprüfungsverfahren sicherzustellen;
  • Eine sofortige Anhörung zu den praktischen Folgen des Urteils in den zuständigen Ausschüssen, nämlich INTA, PECH und AGRI, zu fordern;
  • die Kommission aufzufordern, eine Bewertung der finanziellen Auswirkungendes Gerichtsurteils vorzunehmen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Entschädigungsforderungen des sahrauischen Volkes und der EU-Wirtschaftsakteure;
  • Die Kommission soll einen Bericht über die Prozesskosten vorlegen, die der EU in den sechs Jahren seit dem ersten Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2015 durch unnötige und ungerechtfertigte Gerichtsverfahren entstanden sind;
  • eine Sonderuntersuchung zu den wiederholten und schwerwiegenden rechtlichen Mängeln der Kommission bei der Handhabung der EU-Handelsbeziehungen mit der Westsahara einzuleiten;
  • Die Europäische Kommission dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass sie das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten über das vorgeschlagene - und nun annullierte - Abkommen wissentlich in die Irre geführt hat;
  • Durchführung einer Mission in die Westsahara, um den bilateralen Handel der EU mit diesem Hoheitsgebiet zu überprüfen.

 

An die Regierungen der EU-Staaten, die Importe aus der besetzten Westsahara zulassen, insbesondere die Niederlande, Deutschland, Frankreich und Spanien:

  • Empfehlungen an national registrierte und operative Unternehmen, den Import von Produkten aus der Westsahara einzustellen und alternative Lieferanten zu suchen;
  • Aufforderung an die Kommission, sicherzustellen, dass all ihre politischen Beziehungen mit der Westsahara den EU-Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung entsprechen, insbesondere im Hinblick auf die Listen der GD SANTE, um Betriebe der Westsahara von der Liste Marokkos auszuschließen.

 

An regionale Regierungen und Behörden:

  • innerhalb ihres Einflussbereichs nationale Regierungen dazu drängen, die erforderlichen Maßnahmen in der EU einzuleiten, um die Einfuhr von Waren aus der Westsahara ohne Zustimmung des sahrauischen Volkes zu verbieten, bis die Verwirklichung der Selbstbestimmung erreicht ist.

 

An importierende Unternehmen:

  • Den Kauf von Produkten, die aus der besetzten Westsahara ohne Zustimmung des sahrauischen Volkes exportiert wurden, unverzüglich zu beenden.

 

An Kund:innen von aus der Westsahara importierenden Unternehmen:

  • Sofortige Einstellung des Kaufs von Produkten, die aus der besetzten Westsahara ohne Zustimmung des sahrauischen Volkes exportiert wurden. Wechsel zu Lieferanten, die das EU-Recht und Unternehmensverantwortung respektieren.

 

An die marokkanischen Behörden:

  • Die Anwendung aller mit der EU in Bezug auf die Westsahara geschlossenen Abkommen unverzüglich auszusetzen;
  • Rückführung aller nationaler Institutionen und Agenturen, die in der Westsahara eingerichtet wurden, einschließlich Zertifizierungsstellen wie das ONSSA-Büro;
  • Einhaltung der internationalen Menschenrechte und des humanitärenVölkerrechts in Bezug auf die Westsahara;
  • Die Genehmigung der Frente Polisario einzuholen, um die Einhaltung der Zustimmung des sahrauischen Volkes in Bezug auf den Umgang mit dem Territorium und seinen natürlichen Ressourcen sicherzustellen;
  • Internationalen Beobachter:innen, insbesondere Menschenrechtsbeobachter:innen, unabhängigen Medien sowie internationalen und regionalen Organisationen, Einreise in das Hoheitsgebiet der Westsahara zu gestatten;
  • Ratifizierung der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker und des Protokolls zur Einrichtung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker;
  • Teilnahme an von den Vereinten Nationen geführten Friedensgesprächen mit der Frente Polisario, um die Ausübung der Selbstbestimmungsrechts in der Westsahara zu verwirklichen, durch die das Volk des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung den Status des Landes aus allen verfügbaren Optionen, einschließlich der Unabhängigkeit, frei wählen kann.

 

Nachrichten

Urteil des EU-Gerichtshofs: Besetzte Westsahara nicht Teil der EU-Marokko-Abkommen

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