Western Sahara Resource Watch appelliert an die internationale Gemeinschaft, von der marokkanischen Regierung ein gerechtes Gerichtsverfahren für die Menschenrechtsaktivisten Ali Salem Tamek, Brahim Dahane and Ahmed Naciri zu fordern.
Ali Salem Tamek, Brahim Dahane and Ahmed Naciri setzen sich als ausgesprochen engagierte saharauische Menschenrechtsverteidiger seit Jahren für das Selbstbestimmungsrecht ihres Volkes und dessen Recht auf eine Entscheidung über die natürlichen Ressourcen seines Heimatlandes ein.
Tamek, Dahane und Naciri gehören zur Gruppe von sieben hoch profilierten saharauischen Aktivisten, die am 8. Oktober 2009 von der marokkanischen Polizei bei ihrer Rückkehr von einem Besuch der saharauischen Flüchtlingslager im Südwesten Algeriens festgenommen wurden. Obwohl keinerlei Beweise vorlagen, die die sofort erhobenen Anklagen stützen konnten, wurden die sieben Heimkehrer als „gegen Marokko eingestellte Elemente“ eingestuft und wegen Hochverrats dem Militärgerichtshof überstellt. Unüblich schnell reagierte der staatlich marokkanische Nachrichtendienst mit der medialen Verbreitung der Anklage. Die marokkanische Regierung schuf einen äusserst gefährlichen Präzedenzfall, indem sie Zivilisten, deren einziges Anliegen es ist, die fundamentalen Menschenrechte zu verteidigen, des Hochverrats angeklagte und vor ein Militärgericht stellte. Am 21. September 2010 lehnte schliesslich der Militärgerichtshof von Rabat eine Zuständigkeit in dieser Sache ab. Es erfolgte die Überstellung der Angeklagten an ein erstinstanzliches Gericht in Casablanca. Während Tamek, Dahane und Naciri seit zwölf Monaten ohne Verfahren und Verurteilung im Gefängnis von Salé/Rabat ausharren, verfügten die Behörden für die andern vier Aktivisten, Degja Lachgar, Yahdih Etarrouzi, Rachid Sghaier und Saleh Lebaihi, eine provisorische Freilassung.
Nach einem Jahr in der Vorhölle werden am kommenden Freitag, dem 15. Oktober 2010, die prominentesten saharauischen Menschenrechtsverteidiger, die lediglich mit gewaltfreiem Protest und Widerstand ihr legitimes Recht auf Selbstbestimmung verteidigen, vor den Schranken des Zivilgerichts in Casablanca stehen. Zahlreiche internationale Beobachter/innen werden der ersten Anhörung beiwohnen. Die marokkanischen Behörden sind immer noch darum bemüht, irgendeine Spur eines Beweises gegen die Angeklagten zu erbringen.
Selbst aus ihrer Zelle im Gefängnis von Salé setzten die Menschenrechtsaktivisten ihre Proteste gegen die fortwährende marokkanische Besetzung ihres Heimatlandes, die Plünderung der Naturressourcen des Gebiets und die krassen Verletzungen der Menschenrechte fort. Vor nunmehr drei Wochen richteten die inhaftierten Aktivisten einen Brief an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Jerzy Bucek, worin sie unter anderem auch das Ende der EU-Fischerei in den Gewässern der Westsahara fordern.
Ein Grossteil der Fangtätigkeit im Rahmen des bilateralen Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko konzentriert sich auf die Küstengewässer des nicht selbstregierten Gebiets der Westsahara. Eine Wirtschaftstätigkeit in derartigen Gebieten darf aber gemäss den internationalen Vereinbarungen nur nach Befragung und der Einwilligung der Bevölkerung eines solchen Gebiets aufgenommen werden – was die EU allerdings unterlassen hat. Der berechtigte Anspruch der Saharauis, selbst über die Naturschätze der Westsahara zu befinden, wurde in einem Rechtsgutachten aus dem Jahre 2002 bestätigt, einem Dokument, das die zuständige EU-Kommission allerdings missbraucht, indem sie gewisse Passagen daraus nur in Bruchstücken zitiert. Solche Verfälschungen der UNO-Dokumente verschleiern die Begünstigung der Interessen der Wirtschaft in den Fischfanggebieten und stellen einen Schlag ins Gesicht der von der EU zum Ausdruck gebrachten Politik dar, nämlich die Bemühungen seitens der UNO zur Lösung des langjährigen Konflikts zu unterstützen.“
„Ihre Excellenz, unsere Stimme bezüglich der Ausbeutung der natürlichen Schätze unseres Heimatlandes war noch nie gefragt. Das einzige Ergebnis dieser wirtschaftlichen Vereinbarungen, welches unsere Leute feststellen können, ist, dass je mehr sich Marokko in seinen illegalen und unbegründeten Ansprüchen auf unser Heimatland von der Europäischen Union unterstützt fühlt, umso heftiger werden unsere Stimmen unterdrückt. Wir bitten, bei allen Abkommen mit Marokko – und zwar in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht – unsere Heimat eindeutig auszuschließen”, schrieben die Gefangenen in einem Brief an den französischen Staatspräsidenten.
Im November des vergangenen Jahres zeichnete die schwedische Regierung Brahim Dahane mit dem Per-Anger-Preis für Menschenrechte aus. „Im Namen von Brahim, mir selbst und aller Saharauis nehme ich die Gelegenheit wahr, um Schweden für seinen Widerstand gegen das EU-Fischereiabkommen zu danken,“ erklärte Aicha Dahane, als sie den Preis anstelle ihres inhaftierten Bruders in Empfang nahm.
Bereits während der ersten Debatten im Rat der Europäischen Union im Jahr 2006 setzten sich Schweden, Dänemark und Finnland ernsthaft mit dem Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko auseinander. Mit der Begründung, der Vertrag verstoße gegen das Völkerrecht, stimmte Schweden gegen dieses Fischereiabkommen für den Zeitraum von 2007 bis 2011.
Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, in drei Parlamentsausschüssen Debatten über den Ausschluss der Westsahara aus den Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko zu führen.
Foto: Pierre Gleizes / Greenpeace Polen, aufgenommen am 5. November 2014, unverändert
Im Juli 2019 trat das neue Fischereiabkommen der EU mit Marokko in Kraft, was entgegen der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes die Gewässer der Westsahara einschließt. Marokko verteilt in dem Abkommen Lizenzen zum Plündern der Fischbestände des von ihm besetzten Territoriums. Seit Ende August fischt nun das deutsche Fabrikschiff „Helen Mary“ vor der Küste der besetzten Westsahara.