Sahrauische Fischbestände im Schleppnetz der „Helen Mary“
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Foto: Pierre Gleizes / Greenpeace Polen, aufgenommen am 5. November 2014, unverändert

Im Juli 2019 trat das neue Fischereiabkommen der EU mit Marokko in Kraft, was entgegen der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes die Gewässer der Westsahara einschließt. Marokko verteilt in dem Abkommen Lizenzen zum Plündern der Fischbestände des von ihm besetzten Territoriums. Seit Ende August fischt nun das deutsche Fabrikschiff „Helen Mary“ vor der Küste der besetzten Westsahara.

Veröffentlicht 19. Oktober 2019

Seit August 2019 zieht die über 100 Meter lange „Helen Mary“, die zur deutschen Hochseefischereiflotte gehört, Zickzack-Bahnen 25 km vor der Küste der Westsahara in der Nähe von Dakhla. Die Netze des Schiffes sind gigantisch. Es sind nach Angaben eines Besatzungsmitglieds schon einmal 500 Tonnen mit einem Hol gefangen worden.

Der Fisch kann bei einer Ladekapazität von 4000 Tonnen nach dem Fang gleich verpackt und gekühlt werden. Es gibt Kühlraum für bis zu 175.000 Pakete à 20 kg. Greenpeace führt diesen Hochseetrawler 2014 auf der Liste der 20 weltweit größten „Monsterschiffe“, die zu Überfischung der Weltmeere beitragen.

Es scheint, dass die Helen Mary nun im Rahmen ihres momentanen Einsatzes am 27.08.2019, 22.09.2019 und 14.10.2019 ihre Fracht jeweils nach Agadir (Marokko) oder Las Palmas (Spanien) brachte, um wieder mit leeren Laderäumen zum Abfischen der Bestände vor der Westsahara aufzubrechen. Obwohl Schiffe zwecks Standortbestimmung zur Übertragung eines von Satelliten übertragenen AIS-Signals (Automatic Identification System) verpflichtet sind, fuhr die Helen Mary ihren Weg entlang der Küste der Westsahara und Marokkos bereits dreimal ohne Signal. Einige Schiffe schalten das Signal bewusst aus, um verdeckt zu arbeiten.

In der EU wird das Fang der Helen Mary als „marokkanischer“ Fisch die Kühlregale der Supermärkte füllen, denn die Lizenz zum Abfischen der Gewässer der Westsahara hat Marokko erteilt, das dieses Gebiet seit 1975 besetzt. Die UNO führt die Westsahara als ein Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung, ein Gebiet, das noch nicht dekolonialisiert wurde.

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Screenshot: marinetraffic.com, 08.10.2019

Im Rahmen des Fischereiabkommens mit der EU vergibt Marokko Fanglizenzen an die EU und erhält im Gegenzug 2019-2022 160,6 Mio € von der EU u.a. zur Unterstützung der Fischereipolitik Marokkos, die den Ausbau der Infrastruktur der Fischereiindustrie insbesondere auch in der Westsahara beinhaltet. Deutschland hat im Rahmen dieses Abkommes für 2019 Lizenzen in Höhe von 6871,2 Tonnen für industrielle pelagische Fischerei bekommen.

Das neue Fischereiabkommen trat am 18. Juli 2019 in Kraft und schließt die Gewässer der Westsahara ausdrücklich mit ein, obwohl der Europäische Gerichtshof (EugH) genau dies in seinem Urteil am 27.
Februar 2018 (C-266/16) untersagt hatte. Das Abkommen wäre nicht zustande gekommen, hätte die Bundesregierung ihm nicht im Rat der EU zugestimmt. Damit trägt die Bundesregierung die Mitverantwortung dafür, dass das Recht des sahrauischen Volkes auf Selbstbestimmung und Verfügung über seine Ressourcen wieder einmal wirtschaftlichen und politischen Interessen geopfert wird.

Die EU ist der Meinung, dass die neuen Abkommen mit Marokko den UN geführten Verhandlungsprozess um die Westsahara nicht berühren, obwohl sie Verträge mit Marokko abschließt, die die Westsahara, also ein drittes Hoheitsgebiet, einbeziehen. Dass Marokko, und nur Marokko, berechtigt sei, über das Gebiet zu verfügen, ist exakt Marokkos Position in diesem Konflikt, und diese Position wird mit diesem Abkommen faktisch unterstützt. Wer mit einer Besatzungsmacht Geschäfte macht, beteiligt sich an der Plünderung der Ressourcen, legitimiert die Besatzung, zementiert diese, weil Geld in die Kassen der Besatzungsmacht gespült wird, und entwickelt ein Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung des Status Quo.

Die Helen Mary bildet zusammen mit sechs anderen Trawlern die Flotte der deutschen Hochseefischerei. Sie ist dabei das zweitgrößte Schiff. Aufgrund zurückgehender EU-Fangquoten in der Nordsee und dem Nordost-Atlantik baut die deutsche Hochseefischerei den Bereich der Fernfischerei aus. Gefischt wird dabei nach eigenen Aussagen ausschließlich auf Basis der von der EU zugewiesenen Fangquoten für einzelne Arten und Gebiete. (Deutscher Fischerei-Verband e.V.)

Marokko vergibt die Lizenzen zum Plündern der Fischbestände der Westsahara an die EU und diese vergibt Fangquoten an die Hochseefischereiflotten der Mitgliedsländer. Die Helen Mary fischt also nicht ohne Lizenz, aber eben nur mit Erlaubnis des Nachbarlandes, das die Westsahara besetzt.

WSRW forderte am 16.10.2019 den Eigentümer des Schiffes* schriftlich dazu auf, das Völkerrecht zu wahren und keine Fischerei vor der Küste der Westsahara zu betreiben, solange das sahrauische Volk dem nicht durch seine einzige bei der UN anerkannte Vertretung, der Frente Polisario, zugestimmt hat.

*Eigentümer der Helen Mary ist die Warnemünder Hochseefischerei GmbH, diese gehört zur Doggerbank Seefischerei GmbH (Bremerhaven), die Teil der Parlevliet & Van der Plas group ist.

Nachrichten

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