EU will „weitreichend und umfassend“ mit Marokko freihandeln
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Die EU-Mitgliedsstaaten sind dem Vorschlag der Kommission gefolgt, mit Marokko über ein „weitreichendes und umfassendes Freihandelsabkommen“ zu verhandeln. Dies könnte schwerwiegende Folgen für den Handel mit der Westsahara haben, warnt WSRW.

Veröffentlicht 07. Mai 2012

Am 14. Dezember 2011 stimmte das Europäische Parlament das EU-Fischereiabkommen mit Marokko nieder. Ein zentrales Argument für dieses Abstimmungsergebnis war, dass dieses Abkommen völkerrechtswidrig sei, weil es auch die von Marokko besetzten Gebiete der Westsahara einschloss. Ironischer weise aber stimmten am selben Dezembertag 2011 die EU-Mitgliedstaaten dem Vorschlag der Kommission zu, Verhandlungen mit Marokko über eine „weitreichende und umfassende Freihandelszone (Deep and comprehensive Free Trade Agreement: DCFTA)“ aufzunehmen. 

Dieses Abkommen eröffnet Marokko die fortschreitende wirtschaftliche Integration in den europäischen Binnenmarkt durch Erleichterungen beim Warenexport in die EU. Darüber hinaus wird es für Marokko einfacher, europäischen Investitionen anzuziehen. Im Gegenzug erhalten die Mitgliedstaaten deutlich besseren Zugang zu dem marokkanischen Markt.

In einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission heißt es: „… Anders als bei den derzeitigen Handelsbeziehungen …. geht es bei den DCFTA um mehr als nur um den Abbau von Zöllen: Sie decken alle handelsrelevanten Regulierungsfragen ab, etwa den Investitionsschutz und das öffentliche Beschaffungswesen.“ Die Europäische Kommission stellt die DCFTA als Antwort auf Marokkos Umgang mit dem arabischen Frühling durch einen Prozess der demokratischen und wirtschaftlichen Reformen dar.

„Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend, weil sie nicht nur die EU-Handelspolitik mit Marokko vertiefen könnte, sondern auch mit den besetzten Gebieten der Westsahara", sagte Sara Eyckmans von Western Sahara Resource Watch.

„Es besteht die Gefahr, dass mit diesem Abkommen Unternehmen der EU Tor und Tür für wirtschaftliche Aktivitäten - alles, vom Finanz- bis zum Agrobusines - in den illegal besetzten Gebieten der Westsahara geöffnet werden. Bisher scheint dies in keiner Weise rechtliche Berücksichtigung gefunden zu haben. Da die saharauischen Bevölkerung diesem Abkommen sicher widersprechen würde, wäre ein solches Abkommen bereits vom ersten Tag an eine Verletzung des Völkerrechts“, sagte Eyckmans.

Am seidenen Faden

Die niederschmetternde Bilanz des Parlaments über das „Fischereipartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Marokko“ löste große Frustrationen in Rabat aus und schien um Neujahr herum die DCFTA Pläne zu durchkreuzen. Mitte Januar 2012 reiste dann aber EU-Kommissar für Erweiterung, Stefan Füle, nach Rabat, um Möglichkeiten eines neuen Fischereiabkommens und der DCFTA auszuloten.

Allerdings war es notwendig, Rabat zu beschwichtigen: Diese Beschwichtigung erfolgte im Februar 2012, als das Europäische Parlament nun plötzlich dem Freihandelsabkommen über landwirtschaftliche Erzeugnisse zwischen der EU und Marokko zustimmte. Wie das niedergestimmte Fischereiabkommen ist auch dieses Agrarabkommen Gegenstand massiver Kritik, weil es ebenso die Gültigkeit für die Westsahara nicht ausdrücklich ausschließt. Durch dieses Abkommen könnten z.B. in der besetzten Westsahara völkerrechtswidrig erzeugte Agrarprodukte in Konkurrenz zu eigenen Erzeugern in die Europäische Union gelangen. Die europäischen Landwirte sind gegen dieses Abkommen, weil es eine harte Konkurrenz für sie bedeutet, da für marokkanische Erzeuger nicht dieselben Standards wie für sie gelten. 

 

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