EU-Rat räumt Niederlage gegen Polisario vor EU-Gericht ein
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In einem juristischen Vermerk räumt der EU-Rat ein, dass das höchste EU-Gericht die Handels- und Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko in Bezug auf die Westsahara endgültig für nichtig erklärt hat, was einen klaren Sieg für den Kampf des sahrauischen Volkes um Selbstbestimmung bedeutet.

31. Januar 2025

Am 4. Oktober 2024 entschied die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) über vier Rechtsmittel, die der Rat und die Kommission der EU mit Unterstützung mehrerer Mitgliedstaaten und marokkanischer Einrichtungen gegen frühere Urteile des Gerichts, die die Abkommen für nichtig erklärt hatten, eingelegt haben. Die Urteile vom Oktober bestätigen, dass die Handels- und Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko rechtswidrig ohne die Zustimmung des Volkes der Westsahara auf die Westsahara ausgedehnt wurden.

In einem Informationsvermerk vom 11. November 2024 erkennt der Juristische Dienst des EU-Rates einen wichtigen rechtlichen Präzedenzfall an: Die Frente Polisario, die von den Vereinten Nationen anerkannte Vertretung des sahrauischen Volkes, hat das Recht, EU-Abkommen, die die Westsahara betreffen, anzufechten. Dies steht in direktem Widerspruch zu den jahrelangen Versuchen der EU, die Polisario zu umgehen und stattdessen mit Marokko zu verhandeln, welches keine Souveränität und keine Verwaltungsmandat über das Gebiet hat.

Der Juristische Dienst des EU-Rates räumt ein, dass der Gerichtshof wichtige Grundsätze des Völkerrechts bekräftigt hat:

  • Die Rechtsstellung der Polisario: Der EuGH hat bestätigt, dass die Polisario eine juristische Person ist, die vor den Gerichten der EU klagen kann.
  • Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht: In den Urteilen wird hervorgehoben, dass die Abkommen das Selbstbestimmungsrecht des Volkes der Westsahara verletzen, da die Handels- und Fischereibedingungen zwischen der EU und Marokko ohne deren Zustimmung auf ihr Gebiet angewendet werden.
  • Fehlende Zustimmung der Sahrauis: Der Gerichtshof entschied, dass Konsultationen von mit Marokko verbündeten Akteuren in der Westsahara nicht gleichbedeutend mit der Zustimmung der sahrauischen Volkes sind. Der Juristische Dienst fügt hinzu, dass der Gerichtshof außerdem zwischen dem Volk der Westsahara und der Bevölkerung in dem Gebiet unterscheidet und dass „die Mehrheit der derzeitigen Bewohner:innen nicht zu diesem Volk gehört und ein großer Teil von diesem im Exil lebt“.
  • Strenge Bedingungen für eine vermutete Zustimmung beziehen sich auf das Volk: Der juristische Dienst erklärt, dass „die Zustimmung nur dann vermutet werden kann, wenn das Abkommen vorsieht, dass dem Volk selbst, das nicht mit der Bevölkerung des betreffenden Gebiets gleichgesetzt werden kann, „ein präziser, konkreter, substanzieller und überprüfbarer Vorteil erwächst, der in angemessenem Verhältnis zum Ausmaß der Nutzung steht.“
  • Keinerlei Vorteile für das Volk der Westsahara: Die Abkommen kamen Marokko und den europäischen Fischereiflotten zugute, ohne dass das sahrauische Volk einen nachweisbaren oder verhältnismäßigen Nutzen davon hatte.
  • Korrekte Etikettierung der Produkte: Der Gerichtshof entschied außerdem, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Westsahara nicht als marokkanisch, sondern als aus der Westsahara stammend gekennzeichnet werden müssen, womit der separate und eigenständige Rechtsstatus des Gebiets anerkannt wird.

„Jahrelang hat die EU die Urteile ihres eigenen Gerichtshofs ignoriert, die ihre Geschäfte mit Marokko, die die Westsahara betreffen, als rechtswidrig einstuften. Nun hat der Juristische Dienst des Rates zum ersten Mal anerkannt, dass das sahrauische Volk vor Gericht gewonnen hat. Dies ist ein bedeutender politischer und rechtlicher Moment im langen Kampf des sahrauischen Volkes gegen die marokkanische Besatzung und die Komplizenschaft der EU“, sagt Sara Eyckmans von Western Sahara Resource Watch. „Wir erwarten, dass sich die EU nun strikt an das Völkerrecht hält und endlich aufhört, neue Wege zu suchen, um die Urteile zu umgehen. Wir hoffen, dass diese juristische Analyse des juristischen Dienstes des Rates einen Wendepunkt für das Vorgehen der EU in Bezug auf die Westsahara darstellt.“

Der Juristische Dienst des Rates bestätigt, dass die EU-Institutionen nun Maßnahmen ergreifen müssen, um den Urteilen des EuGH nachzukommen. Gemäß Artikel 266 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die EU rechtlich verpflichtet, ihre rechtswidrigen Vereinbarungen zu korrigieren und Schutzmaßnahmen gegen die Einfuhr falsch etikettierter landwirtschaftlicher Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara zu ergreifen.

 

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