Neuerscheinung: WSRW veröffentlicht heute einen neuen Bericht über die massiven und äußerst problematischen Projekte im Bereich erneuerbare Energien, die Marokko in der besetzten Westsahara realisiert.
Entlang der Atlantikküste der Westsahara bewirbt Marokko sein neues Vorzeigeprojekt für den vermeintlichen grünen Fortschritt. Ein Dutzend Windkraftanlagen ragen aus der Wüste empor; sie sollen saubere Energie für eine Entsalzungsanlage erzeugen, um neue Ackerflächen zu bewässern, die bald Arbeiter:innen und Siedler:innen aus ganz Marokko anziehen werden.

Doch hinter diesem nachhaltigen Narrativ verbirgt sich eine tiefgreifende Problematik. Das Projekt von Engie, wie auch weitere Projekte im Bereich erneuerbare Energien in der Westsahara, befindet sich nicht in Marokko, sondern in einem Gebiet, das unter militärischer Besatzung steht. Was als Lösung für das Klimaproblem daherkommt, ist in Wirklichkeit ein Projekt, das Marokkos Macht über ein Land stärkt, dessen Menschen seiner Herrschaft nie zugestimmt haben.
In der Westsahara ist erneuerbare Energie zu einem strategischen Kontrollinstrument geworden. Sie versorgen Industrien, die die nicht erneuerbaren Ressourcen des Gebiets abbauen und fördern Landwirtschaftsprogramme, die marokkanische Siedler:innen anziehen sollen. In den kommenden Jahren soll Strom in das nationale Stromnetz Marokkos eingespeist und damit die Besatzungsmacht – und möglicherweise auch die EU – versorgt werden. Im Jahr 2025 kündigten die marokkanischen Behörden an, dass große Entsalzungsanlagen in Casablanca und Agadir mit Windenergie aus der besetzten Westsahara betrieben werden sollen. Der nächste Schritt ist grüner Wasserstoff: Marokko positioniert die Westsahara als attraktive Produktionszone, was die internationalen Energiebeziehungen zu Projekten auf besetztem Land vertiefen könnte.
Der heute veröffentlichte Bericht „Greenwashing Occupation“ bietet den bislang umfassendsten Überblick über alle bestehenden und geplanten Projekte im Bereich erneuerbare Energien in der Westsahara.
Der Bericht kann hier heruntergeladen werden.
Die auf besetztem Land erzeugte Energie erhöht die Abhängigkeit Marokkos von dem von ihm besetzten Gebiet und untergräbt damit grundlegend die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen, die darauf abzielen, das Selbstbestimmungsrecht des sahrauischen Volkes zu verwirklichen.
Im Rahmen seiner Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen präsentiert sich Marokko international als Vorreiter im Bereich der erneuerbaren Energien. Von den Staaten wird jedoch erwartet, dass sie nur über Klimaschutzmaßnahmen innerhalb ihrer eigenen, international anerkannten Grenzen berichten. Das UN-Organ, das die Leistungen der Vertragsstaaten registriert und überprüft, das UNFCCC, akzeptiert jedoch Marokkos Einbeziehung der Westsahara mit dem Hinweis, dass es nicht in der Lage sei, den Inhalt der eingereichten Unterlagen zu bewerten. Diese Selbstgefälligkeit wird dadurch verschärft, dass Marokkos Energieprojekte nur unter der militärischen Besatzung durchgeführt werden können, die von den zentralen Organen der UNO für illegal erklärt wurde.
Ebenso beunruhigend ist das Verhalten der beteiligten Unternehmen. Keines der im Bereich erneuerbarer Energien in der Westsahara aktiven Unternehmen – darunter zahlreiche multinationale Konzerne wie Engie, Enel, Siemens Energy und GE Vernova - hat nachgewiesen, dass es auch nur versucht hätte, die Zustimmung des Volkes des Gebiets einzuholen, wie es das Völkerrecht vorschreibt. Stattdessen verweisen sie auf angebliche „Konsultationen” lokaler „Interessengruppen” oder der „Bevölkerung”. Dies ist genau derselbe fehlerhafte Ansatz, den die Europäische Kommission in den Handels- und Fischereiabkommen mit Marokko verfolgt hat und der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig abgelehnt wurde. Der Gerichtshof entschied, dass eine „Konsultation” der „Bevölkerung” nicht die Zustimmung des Volkes des Gebiets, des sahrauischen Volkes, ersetzen kann.
Erschreckenderweise plant die Europäische Union trotz der eindeutigen Rechtsprechung nun, im Rahmen des neuen Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko Projekte im Bereich erneuerbare Energien und Infrastruktur in der Westsahara zu fördern und diese als „Vorteile für die Sahrauis” darzustellen. Durch die mögliche Finanzierung von Projekten wie jenen im Bericht beschriebenen läuft die EU Gefahr, Marokkos Besatzung direkt zu subventionieren und die Enteignung des sahrauischen Volkes weiter zu vertiefen.
Western Sahara Resource Watch (WSRW) fordert:
Dieser Bericht ist ein Update des WSRW-Reports „Greenwashing Occupation” aus dem Jahr 2021. Dieser enthüllte erstmals, wie erneuerbare Energien zu einem Eckpfeiler der Besatzungsstrategie Marokkos geworden sind. Seitdem hat Marokko seine Infrastruktur im Bereich der erneuerbaren Energien in der Westsahara dramatisch ausgebaut – und damit die Ungerechtigkeit vertieft, die durch diese Projekte verschleiert werden soll.
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Das weltweit größte Zertifizierungssystem für „sichere und nachhaltige Tierfuttermittel“ überprüft nicht, ob seine zertifizierten Fischfuttermittelhersteller ihre Produkte aus illegaler Fischerei in der besetzten Westsahara beziehen, wo die Fänge das Selbstbestimmungsrecht des sahrauischen Volkes verletzen.
Das Zertifizierungssystem beendet seine Zusammenarbeit mit der Azura Group und erklärt, dass Unternehmen in den besetzten Gebieten künftig keine Zertifizierungen mehr erhalten werden.
Lassen Sie sich nicht von der marokkanischen Rhetorik über saubere Energie dieser neuen 1.000 km langen Stromleitung täuschen – hier geht es um die infrastrukturelle Annexion besetzten Landes.
187 Parlamentarier:innen haben dafür gestimmt, das Urteil des EuGH, die Interessen der EU-Landwirt:innen, die Rechte der EU-Verbraucher:innen und den Willen des sahrauischen Volkes zu missachten.