Neues Konfliktelement: "Grüner" Wasserstoff
644b956c66903_ElliLorz_IMG_6777

Eine Studie zeigt, dass das größte Potenzial der von Marokko geplanten Projekte mit grünem Wasserstoff in dem von ihm militärisch besetzten Gebiet liegt.

03. Mai 2023

Foto: "Allah, das Land, der König". Marokkanische Propaganda auf einer Klippe bei Dakhla, besetzte Westsahara. @ElliLorz.

Ein Team marokkanischer Wissenschaftler:innen hat letzten Monat im International Journal of Hydrogen Energy eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die „Kombination von Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen dazu beiträgt, kostengünstigen Wasserstoff in Marokko, insbesondere in Dakhla, zu produzieren“. Dakhla ist jedoch eine Stadt an der Küste des Teils der Westsahara, den Marokko seit 1975 brutal und militärisch besetzt hält.

Während das Königreich damit begonnen hat, sein Potenzial für grünen zu bewerben, aber es gibt noch relativ wenige Studien, die dieses Potenzial im Hinblick auf die Produktionskosten untersucht haben. Wasserknappheit ist für Marokko ein großes Problem, und Expert:innen nennen häufig die Kosten für die Entsalzung als einen hemmenden Faktor für die Produktion von grünem Wasserstoff. Darüber hinaus benötigt Marokko finanzielle Unterstützung, um ein zuverlässiger Lieferant zu werden, hat aber bereits Kooperationsabkommen für grünen Wasserstoff mit Deutschland, den Niederlanden und Portugal geschlossen, die eine Finanzspritze bieten werden.

Die von den marokkanischen Universitäten ENSAM und EMI im Auftrag des marokkanischen Instituts für Solarenergie und erneuerbare Energien (IRESEN) durchgeführte Studie trägt den Titel "Bewertung der Produktion von grünem Wasserstoff in Marokko unter Verwendung hybrider erneuerbarer Energiequellen (PV und Wind)" und analysiert das Potenzial an fünf Standorten in "Marokko", die auf der Grundlage ihrer Eignung für die Ausbeutung erneuerbaren Energien ausgewählt wurden. In Wirklichkeit befinden sich nur drei der in der Studie untersuchten Standorte in Marokko selbst (Tan-Tan, Tanger und Jorf Lasfar). Die beiden anderen Standorte befinden sich in der besetzten Westsahara: Dakhla und El Aaiún. 

Die Vereinten Nationen und internationale Gerichte lassen keinen Zweifel daran, dass die Westsahara nicht zu Marokko gehört. Aber das scheint den Gutachtern des International Journal of Hydrogen Energy entgangen zu sein. Die Zeitschrift wird von Elsevier herausgegeben und ist eine offizielle Zeitschrift der International Association for Hydrogen Energy.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Elsevier-Publikation kontroverse Studien veröffentlicht, die die UN-Position zur Westsahara ignorieren. 

Im Jahr 2009 schrieb WSRW an die Redaktion der geologischen Fachzeitschrift Tectonophysics - ebenfalls eine Elsevier-Publikation - wegen der Veröffentlichung von Marokkos illegaler Ölexploration vor der Küste des besetzten Gebiets. Die Briefe wurden nicht beantwortet. Am 28. April 2023 schrieb die WSRW erneut an Elsevier. 

"Der Standort in Dakhla ist der beste für die Produktion von grünem Wasserstoff", sagte einer der fünf Forscher gegenüber marokkanischen Medien. "Die Produktionskosten sind sehr gering" im Vergleich zu den anderen Gebieten in der Studie.

Die Produktionskosten für grünen Wasserstoff in Dakhla würden sich auf 2,54 $/kg belaufen, wobei El Aaiún mit 2,56 $/kg nicht weit zurückliegt. Die Produktionskosten in den marokkanischen Gebieten, die Teil der Studie waren, waren bis fast dreimal so hoch: 7$/kg in Jorf Lasfar, 6,76$/kg in Tanger und 6$/kg in Tan-Tan.

Mit anderen Worten: Das größte Potenzial für die marokkanische Produktion von grünem Wasserstoff könnte in der besetzten Westsahara liegen. 

Wasserstoff ist ein Energiemedium, das durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen wird, wobei Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Wenn die für den Prozess verwendete Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, wird das Endprodukt als grüner Wasserstoff bezeichnet.

Marokko gilt als Vorreiter bei der Umstellung auf mehr erneuerbare Energiequellen. Laut Statista verfügte das Land im Jahr 2021 über die viertgrößte installierte Kapazität an konzentrierter Solarenergie weltweit und die zweitgrößte Kapazität an Windenergie auf dem afrikanischen Kontinent. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich, dass ein erheblicher Teil der marokkanischen Wind- und Solarprojekte gar nicht in Marokko aufgebaut wird - sondern in der besetzten Westsahara. 

Der WSRW-Bericht Greenwashing Occupation (2021) schätzt, dass die in diesem Gebiet erzeugte Windenergie bis zum Jahr 2030 47,20 % der gesamten marokkanischen Windkraftkapazität ausmachen könnte, während der Anteil der dort erzeugten Solarenergie bis dahin 32,64 % der gesamten marokkanischen Solarkapazität erreichen könnte.

 

Da Sie schon einmal hier sind...

Die Recherchen von WSRW werden mehr denn je gelesen und genutzt. Unsere Arbeit ist zum überwiegenden Teil ehrenamtlich, sie erfordert Zeit, Hingabe und Sorgfalt. Aber wir tun sie, weil wir glauben, dass sie wichtig ist - und wir hoffen, dass Sie das auch tun. Mit einer kleinen monatlichen Unterstützung können sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Zukunft von WSRW zu sichern und dafür sorgen, dass wir weiterhin unseren komplett unabhängigen Recherchen nachgehen können. 

Eine regelmäßige Spende können Sie hier einrichten

Nachrichten

GE Vernova in der Westsahara unter Druck

Das US-Unternehmen GE Vernova scheint andere lukrativen Projekte aufs Spiel zu setzen, wenn es in der besetzten Westsahara für die marokkanische Behörden tätig ist.

22. Oktober 2024

Sahrauische Abgeordnete verurteilen Kontroverse um Engie

Das französische Unternehmen Engie stellt seit 2023 in der besetzten Westsahara Windräder für ein Großprojekt auf, das zur großflächigen Ansiedlung marokkanischer Siedler:innen in dem besetzten Gebiet führen soll. Dies wurde nun vom sahrauischen Parlament verurteilt.

03. Juli 2024

Das schmutzige Geschäft mit der grünen Energie

Was kann falsch daran sein, in einer Welt, die dringend einen ökologischen Wandel braucht, erneuerbare Energien auszubauen? In der Westsahara sind die Probleme vielschichtig.

22. April 2024

Siemens Energy hält sich Tür für umstrittene Geschäfte offen

Auf der Hauptversammlung des Unternehmens am 26. Februar 2024 konnte der Vorstand von Siemens Energy weitere Projekte in der besetzten Westsahara nicht ausschließen. 

06. März 2024