Marokkanische Regierung enthüllt gigantische Energie-Pläne für besetztes Gebiet
6543805d75d59_renewable

Bis zu 81 % der Fläche, die die marokkanische Regierung für neue Pläne für erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff und Ammoniak vorgesehen hat, befinden sich außerhalb der internationalen Grenzen Marokkos, in der besetzten Westsahara. 

26. Oktober 2023

Die marokkanische Regierung hat massive Pläne für Investitionen im Energiesektor in der besetzten Westsahara bekannt gegeben. Die Pläne wurden letzte Woche in der Haushaltsvorlage der marokkanischen Regierung für das Jahr 2024 [Download hier] veröffentlicht. 

Eine Reihe von Berichten wurde veröffentlicht, um die im Gesetzentwurf dargelegten Pläne zu unterstützen. Einer dieser Berichte [Download hier] legt dar, wie öffentliches Land - definiert als "Privatbesitz des Staates, dessen Eigentümer der Staat ist" - im Hinblick auf die geplanten Investitionen genutzt werden soll. 

Dies zeugt von den Plänen der marokkanischen Regierung, ein Zentrum für erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff in der besetzten Westsahara zu schaffen - die kaum als Land im Besitz des marokkanischen Staates bezeichnet werden kann.

Möglicherweise bis zu 81 % aller Flächen, die die marokkanische Regierung für Projekte im Bereich erneuerbare Energien und grüner Wasserstoff oder Ammoniak vorgesehen hat, befinden sich in der besetzten Westsahara.

Der Bericht beschreibt das Gebiet anhand der Verwaltungsregionen, die die marokkanischen Behörden dem Gebiet auferlegt haben: die Regionen "Dakhla-Oued Eddahab" und "Laâyoune-Sakia El Hamra", die zusammen die gesamte besetzte Westsahara abdecken. Die letztgenannte Region, "Laâyoune-Sakia El Hamra", erstreckt sich über den nördlichen Teil der besetzten Westsahara, erstreckt sich aber auch über die Grenze nach Marokko. Sie umfasst somit ein kleines Stück Land, das international als Marokkanisches Staatsgebiet angesehen wird. Da der Bericht keine konkreten Standorte für die genannten Projekte nennt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die für diese Region aufgeführten Projekte alle in der Westsahara durchgeführt werden. 

In "Dakhla-Oued Eddahab", der südlichen Region des Territoriums entspricht, wurden rund 800.000 ha für 5 Megaprojekte zur Verfügung gestellt, was einer Investition von 231 Milliarden Dirham entspricht. In der nördlichen Hälfte des Gebiets - von der marokkanischen Regierung als "Region Laâyoune-Sakia El Hamra" bezeichnet - werden 9 Projekte auf einer Fläche von 371.675 ha mit einer Finanzspritze von 228 Mrd. Dirham durchgeführt.

Konkret hat die marokkanische Regierung die folgenden Projekte in der besetzten Westsahara aufgelistet:

  • In der südlichen Hälfte des Gebiets ("Dakhla-Oued Eddahab"):
    • Dahamco SA wird eine Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff und Ammoniak auf einer Fläche von 553,435 ha errichten;
    • Falcon wird eine Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff auf einer Fläche von 150,446 ha errichten;
    • TAQA Morocco wird eine Anlage für erneuerbare Energien zur Herstellung von grünem Wasserstoff und Folgeprodukten (70.000 ha) sowie einen 300-Megawatt-Windpark (MW) auf 7.940 ha errichten;
    • Power Sur SARL wird auf einer Fläche von 15.000 ha eine Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff errichten.
  • Für "Laâyoune-Sakia El Hamra", das die nördliche Hälfte des Territoriums und ein kleines Stück Land im Süden Marokkos umfasst, sind 8 Windparks vorgesehen:
    • Das Unternehmen ORNX beabsichtigt, in Boujdour auf einer Fläche von 145.333 ha einen Windpark und eine Anlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu errichten und in El Aaiún ein ähnliches Projekt auf einer Fläche von 100.000 ha anzumelden. ORNX Boujdour und ORNX Laayoune befinden sich zum Teil im Besitz von Acciona SA (spanischer Mischkonzern, der u.a. Projekte für erneuerbare Energien entwickelt), Nordex SE (deutscher Windturbinenhersteller) und Ortus Climate Mitigation LLC (US-amerikanischer Entwickler von Infrastrukturen für erneuerbare Energien);
    • Die OCP-Gruppe plant die Einrichtung einer Plattform für grünen Wasserstoff auf einer Fläche von 100.350 ha. OCP ist Eigentümer von Phosboucraa, einem Unternehmen, das die Phosphatreserven in der besetzten Westsahara abbaut;
    • Acwa Power beabsichtigt, in dem Gebiet zwei Windparks mit einer Leistung von jeweils 100 MW auf einer Gesamtfläche von 10.341 ha zu errichten. Acwa hat bereits zwei Solarkraftwerke in dem Gebiet errichtet: eine 85-MW-Anlage in El Aaiún und eine 20-MW-Anlage in Boujdour;
    • Tarouma Wind hat 4.471 ha für einen Windpark mit einem Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Dirham zugewiesen bekommen.
    • Ein Unternehmen mit dem Namen Boujdour Wind Farm wird auf 3 869 ha einen 100-MW-Windpark errichten;
    • EEM - eine Tochtergesellschaft von Nareva, dem Energieunternehmen des marokkanischen Königs - plant den Bau von zwei Windparks. Der erste wird sich über eine Fläche von fast 3.000 ha erstrecken und Investitionen in Höhe von 740 Millionen Dirham erfordern, während der zweite auf einer Fläche von 2.844 ha errichtet werden soll und 1,5 Milliarden Dirham erfordert.

Insgesamt sind dies bis zu knapp 9500 Quadratkilometer in der Westsahara, also mehr als zehn mal die Fläche Berlins, bzw. mehr als 3,5% der Gesamtfläche der Westsahara.

Acht dieser Projekte werden im Rahmen des so genannten "régime conventionné" entwickelt, das in dem Bericht aufgeschlüsselt wird: fünf Projekte in der Region Dakhla sowie der 100-MW-Windpark Boujdour und die beiden von EEM geplanten Parks. Dieses System bietet Berichten zufolge mehrere Vorteile, darunter Steuer- und Zollbefreiungen sowie staatliche Unterstützung bei den Kosten für externe Infrastruktur, Berufsausbildung und Landerwerb.

WSRW hat in der Vergangenheit versucht, Stellungnahmen von ACWA Power und Taqa zu erhalten, ohne eine Antwort zu bekommen. WSRW hat Nordex am 31. Oktober 2023 geschrieben. Mit den anderen in diesem Artikel erwähnten Unternehmen hat WSRW noch keinen Kontakt aufgenommen.

Durch die Durchführung massiver Energieprojekte in der besetzten Westsahara wird Marokko wirtschaftlich stärker verbunden und abhängig von dem Gebiet, das es unter illegaler militärischer Besatzung hält. Es beabsichtigt, die in dem Gebiet erzeugte Energie nach Marokko zu exportieren und etwaige Überschüsse an die umliegenden Länder, einschließlich der EU, zu verkaufen. Dadurch wird der ohnehin geringe Anreiz Marokkos, sich am UN-Friedensprozess zu beteiligen, noch weiter verringert, zumal viele der Projekte in der besetzten Westsahara zum Portfolio von Unternehmen gehören, die sich im Besitz des marokkanischen Königs oder seines Premierministers Aziz Akhannouch befinden.

 

Da Sie schon einmal hier sind...

Die Recherchen von WSRW werden mehr denn je gelesen und genutzt. Unsere Arbeit ist zum überwiegenden Teil ehrenamtlich, sie erfordert Zeit, Hingabe und Sorgfalt. Aber wir tun sie, weil wir glauben, dass sie wichtig ist - und wir hoffen, dass Sie das auch tun. Mit einer kleinen monatlichen Unterstützung können Sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Zukunft von WSRW zu sichern und dafür sorgen, dass wir weiterhin unseren komplett unabhängigen Recherchen nachgehen können. 

Eine regelmäßige Spende können Sie hier einrichten. Vielen Dank!

Nachrichten

So geht's weiter - das empfiehlt WSRW

Was sollten wir von den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen erwarten, jetzt da David vor dem EU-Gerichtshof Goliath besiegt hat? WSRW hat einige Vorschläge ausgearbeitet. 

04. Oktober 2024

EU-Kommission "nimmt Kenntnis" von EU-Gerichtsurteilen

Die EU-Kommission hat sich zu ihrer Niederlage vor dem EU-Gerichtshof in Sachen Handel und Fischerei im Gebiet der Westsahara geäußert. 

04. Oktober 2024

Urteil des EU-Gerichtshofs: Besetzte Westsahara nicht Teil der EU-Marokko-Abkommen

Heute Morgen hat der Europäische Gerichtshof ein wegweisendes Urteil gefällt. “Dieses Urteil ist ein bedeutender Sieg für das Volk der Westsahara. In einer Zeit, in der das Völkerrecht unter Druck steht, ist es von grundlegender Bedeutung, dass die EU ihrem eigenen Gericht folgt und die Kollaboration mit der Besatzungsmacht durch illegale Handelsabkommen beendet.”, kommentiert WSRW.

04. Oktober 2024

Sahrauis feiern EuGH-Urteil

Sahrauische Geflüchtete gingen heute in den Geflüchtetencamps auf die Straße, um die Siege vor dem EU-Gerichtshof zu feiern. 

04. Oktober 2024