Die sahrauische Menschenrechtsverteidigerin Sultana Khaya, die seit 16 Monaten unter Hausarrest steht, fordert Siemens und Enel auf, Verantwortung zu übernehmen und die besetzte Westsahara zu verlassen.
Bild: Sultana Khaya wurde wiederholt von der marokkanischen Polizei angegriffen. Dieses Bild ist vom Jahr 2021, als die Polizei ihr linkes Auge mit einem Stein schlug. Ihr rechtes Auge hat sie bereits 2007 verloren.
Die sahrauische Menschenrechtsverteidigerin Sultana Khaya reagiert deutlich auf die Investitionen internationaler Unternehmen für die marokkanische Regierung in ihrem besetzten Heimatland, der Westsahara. In einem Interview mit Vertretern einer sahrauischen Mediengruppe – die sie telefonisch von ihrem Haus aus geführt hat, wo sie von der marokkanischen Regierung unter Hausarrest steht – spricht sie sich ausdrücklich gegen das italienische Unternehmen Enel und den spanisch-deutsche Konzern Siemens aus.
Khaya ist Präsidentin der ‘League for the Defense of Human Rights and against Plunder of Natural Resources’ in Boujdour. Sultana ist zu einem wichtigen Symbol für den Kampf des sahrauischen Volkes für Selbstbestimmung geworden:
Khayas Lage wurde in Stellungnahmen des UN-Sonderberichterstatters für die Situation von Menschenrechtsverteidiger:innen im Juli und Dezember 2021 hervorgehoben.
Ohne Erfolg: Ein Kontingent von Ordnungshüter:innen ist weiterhin vor dem Haus stationiert, ohne dass es eine rechtliche Erklärung für ihre Anwesenheit gibt. In den letzten Wochen haben Polizeibeamt:innen Berichten zufolge versucht, die Eingangstür des Hauses der Khayas zu zementieren.
Trotz dieser Umstände schweigt Khaya nicht. Sie kann oft auf dem Dach ihres Hauses gesehen werden, wo sie die Flagge der Republik Westsahara schwenkt. In einem kürzlich geführten Telefoninterview mit dem sahrauischen Journalist:innenkollektiv Equipe Média wetterte Khaya gegen die Ausplünderung ihrer besetzten Heimat durch Marokko und die Rolle privater Unternehmen dabei - mit besonderem Bezug auf die Projekte für erneuerbare Energien, die Marokko in dem Territorium ohne die Zustimmung des Volkes der Westsahara durchführt.
„Das Verbot mein Haus zu verlassen, mit dem ich seit über einem Jahr lebe, ist anekdotisch. Dies ist ein Beweis für die Unfähigkeit Marokkos angesichts des Rechts auf Gerechtigkeit, das ich verteidige.
Was mir wichtig ist und was ich ganz klar bekräftigen möchte, ist, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Plünderung der erneuerbaren oder nicht erneuerbaren natürlichen Ressourcen meines Landes, der Westsahara, zu stoppen.
Die Gewinne dienen wirtschaftlich und politisch der Besatzung und ihren Unterdrückungsmaßnahmen.
Sieben Kilometer von Boujdour, wo ich wohne, baut der marokkanische Besatzer einen 300-MW-Energieerzeugungspark mit Windturbinen. Der Geschäftspartner ist die Regierung Marokkos und nicht die der Westsahara.
Die Bauherren sind die marokkanische Gruppe Nareva Holding, das deutsche Unternehmen Siemens und die italienische Enel Green Power. Die Reederei, die die Komponenten der Windkraftanlage transportiert, ist das deutsche Unternehmen Briese Schiffahrt.
Dieser Windpark wird ohne Rücksprache mit oder Zustimmung unseres Volkes errichtet. Und wir sind damit nicht einverstanden.
Die ausländischen Unternehmen, die hier – wie anderswo in der Westsahara – an einem Projekt beteiligt sind, missbrauchen die die ökologischen Vorzüge der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und dadurch wird der Zugang zur unausweichlichen Unabhängigkeit unseres Landes erschwert.
Europäische Unternehmen, insbesondere französische, deutsche und spanische, müssen die Entscheidungen der europäischen und internationalen Justiz respektieren und unser Land verlassen.
Die Plünderung der Westsahara durch Marokko und seine Kompliz:innen muss aufhören, damit die Unabhängigkeit unseres Landes verwirklicht und unsere freie Zukunft aufgebaut werden kann."
Im Oktober 2021 veröffentlichte WSRW einen Bericht, der alle bestehenden und geplanten marokkanischen Projekte für erneuerbare Energien in der besetzten Westsahara offenlegte. Laut dem Bericht "Greenwashing Occupation" könnte die in dem Territorium erzeugte Windenergie bis 2030 schätzungsweise 47,20 % der gesamten marokkanischen Windkraftkapazität ausmachen. Kurz nach der Veröffentlichung des Berichts wurde jedoch bekannt, dass das Energieunternehmen des marokkanischen Premierministers den Bau eines weiteren Windparks in dem Territorium plant, wodurch der Anteil der Westsahara an der gesamten Windenergieerzeugung Marokkos bis 2030 auf 52,25 % steigen könnte.
Seit über zehn Jahren setzt sich Sultana Khaya für das Selbstbestimmungsrecht des sahrauischen Volkes ein. Sie wurde wiederholt von den marokkanischen Behörden schikaniert und verlor ein Auge, als sie 2007 von einem Polizeibeamten angegriffen wurde. Vor ihrem Hausarrest nahm Khaya regelmäßig an Demonstrationen teil, bei denen sie für das Selbstbestimmungsrecht eintrat und die Gewalt gegen sahrauische Frauen anprangerte.
Da Sie schon ein Mal hier sind....
Die Arbeit von WSRW wird mehr denn je gelesen und genutzt. Sie ist zum überwiegenden Teil ehrenamtlich, sie erfordert Zeit, Hingabe und Sorgfalt. Aber wir tun sie, weil wir glauben, dass sie wichtig ist - und wir hoffen, dass Sie das auch tun. Mit einer kleinen monatlichen Unterstützung können sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Zukunft von WSRW zu sichern und dafür sorgen, dass wir weiterhin unseren komplett unabhängigen Recherchen nachgehen können. Vielen Dank für ihre Spende!
Siemens Energy ist unter den multinationalen Konzernen, die Berichten zufolge Interesse bekundet haben, Marokko beim Transport von in der besetzten Westsahara erzeugtem Strom in sein Staatsgebiet zu unterstützen.
Während die französische Regierung jegliche völkerrechtliche Norm in der Westsahara ignoriert, setzt sie ihre eigenen Unternehmen einem ernsthaften Risiko aus.
Die irische Fluggesellschaft hat eine neue Route nach Dakhla in "Marokko" angekündigt und lobt die Besatzungsmacht für ihre "Unterstützung und Vision bei der Sicherung dieser Großinvestition".
Ein von der EU-Kommission erstellter Bericht gibt Aufschluss über die enorme Summe, die die EU in nur einem Jahr und das allein im Rahmen des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko den Sahrauis vorenthält.