Mitten im Medien-Blackout und einer Welle stetiger Repression in der Westsahara, versucht die marokkanische Regierung, den Eindruck von Normalität zu erwecken. Spanische Geschäftsherren werden mit Chartermaschinen nach El Aaiún eingeladen und davon überzeugt, dass ihre Tätigkeit in der Westsahara nach wie vor unproblematisch und lohnenswert sei.
Die Lage in der Westsahara ist seit Monaten von sozialen Unruhen geprägt. Etwa 20'000 Saharauis errichteten ausserhalb der Hauptstadt ein Friedenscamp und protestierten damit gegen ihre Diskriminierung, gegen die Arbeitslosigkeit und gegen die Plünderung des natürlichen Reichtums ihrer Heimat. Bei den Zusammenstössen im Anschluss an die gewaltsame Zerstörung des „Lagers für Freiheit und Würde“ durch die marokkanischen Besatzungstruppen waren
die Bankinstitute, das Fischereizentrum und das Gebäude des Ministeriums für Energie und Bergbau Hauptangriffsziele von DemonstrantINNen. Das Ministerium ist unter anderem auch die Schirmherrin des staatlich marokkanischen Phosphat-Monopolisten "Office Chérifien des Phosphates“; OCP ist der weltweit größte Phosphat-Exporteur.
Während die besetzte Westsahara nicht zur Ruhe kommt und die gewalttätigen Auseinandersetzungen auch auf andere Städte der Westsahara übergreifen, plündert Marokko ungeachtet der alarmierenden Situation weiter die Rohstoffe des Gebietes und tätigt mit ausländischen Firmen Riesengeschäfte. Die internationalen Handelstätigkeiten nehmen ihren gewohnten Gang.
Laut der marokkanischen Zeitung
“L'Economiste“ vom 30. November charterte der Bürgermeister von El Aaiún ein Flugzeug, um Geschäftsleute spanischer Handelsniederlassungen in Tanger zu einem Besuch in die Hauptstadt El Aaiún einzuladen. Dazu gab es folgende Begründung: "Es soll den spanischen Geschäftsleuten die wahre Wirklichkeit über die Ereignisse in El Aaiún vorgestellt werden, die weit von der irreführenden Berichterstattung der spanischen Medien entfernt liegt."
Nicht nur die Hauptstadt, sondern das gesamte besetzte Territorium der Westsahara ist nach wie vor gänzlich von der Außenwelt abgeriegelt. Von der marokkanischen Besatzungsmacht wurde eine absolute Informationssperre durchgesetzt. Dutzende von Reportern von spanischen Tageszeitungen und Medienschaffende aus anderen Ländern wurden in den vergangenen Wochen aus Marokko und der Westsahara ausgewiesen oder es wurde ihnen der Zugang verwehrt. Das Büro des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera in Marokkos Hauptstadt wurde geschlossen. Parlamentsabgeordnete aus Frankreich und Deutschland wurden brutal daran gehindert, sich ein Bild über den Terror der Besatzungsmacht in der Westsahara zu machen. Außerordentlich freundlich empfing man in Rabat hingegen den deutschen Außenminister Guido Westerwelle.
Die Einladung zur Reise nach El Aaiún wurde vorigen Montag während eines Frühstückstreffens mit spanischen Geschäftsleuten in Tanger angekündigt.
70 spanische Geschäftsleute aus Tanger darunter auch José Miguel Zado, Präsident der spanischen Handelskammer in Tanger, folgten schliesslich der Einladung nach El Aaiún. Zahlreich seien die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten in El Aaiún: im Sektor Tourismus, industrielle Produktion, Immobilien und der Verarbeitung von Fisch liege ein grosses Potential; bemerkenswert seien die grossen Umwälzungen in der Westsahara, und wegen der Steuerbefreiung für ausländische Geschäftsniederlassungen böte sich das Gebiet als optimaler Produktionsstandort geradezu an.
"Es ist Zeit, dass sich die spanischen Wirtschaftsvertreter ihrer sozialen Verantwortung in der Frage der Westsahara gewahr werden. Mit der Beteiligung an der Plünderung der natürlichen Schätze der Westsahara werden Signale verstärkt, die die unbegründeten Ansprüche Marokkos zementieren. Die Vertuschung der Verletzungen der Menschenrechte und der aktuellen Ereignisse trägt zur Eskalation bei, untergräbt die Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft und verlängert den Konflikt. Bis zur endgültigen Lösung des Konfliktes müssen alle Geschäfts- und Handelstätigkeiten in der Westsahara eingefroren werden“, sagt Sara Eyckmans, Internationale Koordinatorin von Western Sahara Resource Watch.