Letzte Woche sollte (*) das Europäische Parlament über eine Änderung des Luftverkehrsabkommens zwischen der EU und Marokko abstimmen - ohne jegliche Klarstellung der EU-Kommission, wie der Vorschlag mit dem Urteil des EU-Gerichtshofs von 2018 in Einklang steht, das die Anwendung eben dieses Abkommens auf die Westsahara für ungültig erklärt.
(*) Das Europäische Parlament hat alle für den 10. März geplanten Abstimmungen aufgrund der COVID-19-Krise auf ein späteres Datum verschoben.
Am 10. März sollte(*) das Europäische Parlament über eine Änderung des Luftverkehrsabkommens zwischen der EU und Marokko abstimmen. Damit soll dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens Rechnung getragen werden, die der EU nach Dezember 2006 beigetreten sind, als das Abkommen vorläufig in Kraft getreten war. Die morgige Abstimmung ist als solche eine weitere Änderung der vorherigen Revision des Luftverkehrsabkommens zwischen der EU und Marokko vom Oktober 2017, über die WSRW damals berichtete.
Am 30. November 2018 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) jedoch, dass das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und Marokko nicht für das Gebiet der Westsahara gilt. Das Urteil legt fest, dass das Territorium Marokkos so zu verstehen ist, "dass es sich auf das geographische Gebiet bezieht, über das das Königreich Marokko das gesamte Spektrum der völkerrechtlich anerkannten Befugnisse souveräner Rechtsträger ausübt, unter Ausschluss jedes anderen Territoriums, wie das der Westsahara". Der Gerichtshof fügt hinzu, dass die Einbeziehung der Westsahara gegen die Regeln des Völkerrechts verstößt, die für die Beziehungen zwischen der EU und Marokko gelten, "insbesondere gegen das in Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen genannte Prinzip der Selbstbestimmung und den Grundsatz der relativen Wirkung der Verträge" (Art. 27). "Die Europäische Union kann die Absicht des Königreichs Marokko, das betreffende Gebiet in den Geltungsbereich des Abkommens einzubeziehen, nicht rechtsgültig teilen" (Art. 33).
Es ist bei weitem nicht klar, wie diese Entscheidung in der neu vorgeschlagenen Änderung des Abkommens berücksichtigt wurde.
"Dieses Dossier, über das in der nächsten Woche im Plenum abgestimmt wird, ist zwar eine kleine Anpassung an ein bestehendes Abkommen, aber die Auswirkungen sind es nicht. Die Fraktion der Grünen/EFA hat die Kommission wiederholt gebeten, Antworten auf Fragen zu dem Rechtsvakuum zu geben, das durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom November 2018 entstanden ist, wonach die Westsahara nicht unter das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und Marokko fällt, ein Urteil, das einen großen Sieg für das saharauische Volk darstellt", erklärt der Europaabgeordnete Ciarán Cuffe (Irland, Grüne/EFA), der im Ausschuss für Verkehr und Tourismus des EU-Parlaments sitzt.
"Es ist nicht akzeptabel, dass die Kommission unsere Fragen nicht richtig beantwortet hat. Wir werden daher aufgefordert, über ein Abkommen abzustimmen, ohne die kompletten Auswirkungen auf die Flugsicherheit, den Luftverkehr und den Verbraucherschutz für die Fluggesellschaften der EU und die Passagiere, die die Westsahara überfliegen, zu kennen. Warum will die Kommission nicht auf unsere Fragen antworten?", fragt Herr Cuffe.
Noch bemerkenswerter ist, dass der für dieses Dossier zuständige Abgeordnete des Parlaments, Sven Schulze (Deutschland, EVP), in seinem Bericht nicht auf das EuGH-Urteil von 2018 eingeht, nicht einmal als Teil der Begründung, in der der Hintergrund und die für den Änderungsantrag relevanten Verfahren dargelegt werden. Schulze empfiehlt dem Parlament, für den Änderungsantrag zu stimmen und ihn als "rein technisch" zu bezeichnen.
"Es ist verwirrend, dass die EU ein Luftverkehrsabkommen ändert, um seine Anwendbarkeit innerhalb der EU zu klären, während der geographische Anwendungsbereich auf Seiten des Partnerlandes so höchst fragwürdig ist. Ist das Abkommen nur auf Marokko selbst anwendbar, wie es das Völker- und Europarecht vorschreibt, oder auch auf die Teile der Westsahara, die von Marokko militärisch besetzt sind? Man würde erwarten, dass die EU-Gesetzgeber diese Frage vor der Abstimmung klären wollen, aber das ist offenbar nicht der Fall", sagt Sara Eyckmans von Western Sahara Resource Watch (WSRW).
Der Änderungsantrag wurde im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments mit 40 Ja-Stimmen, 5 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen verabschiedet.
WSRW hat festgestellt, dass es 11 internationale Flüge pro Woche in die Westsahara gibt, die von Binter Canarias und Royal Air Maroc durchgeführt werden. Die Flüge verbinden Dakhla und El Aaiun mit Gran Canaria. Ende Oktober 2017 wurde eine neue Verbindung über Transavia nach Frankreich eröffnet. Die von der UNO anerkannte Vertretung des saharauischen Volkes, die Polisario-Front, reichte im Oktober 2018 beim Obersten Gerichtshof von Paris eine Beschwerde gegen Transavia ein.
Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, in drei Parlamentsausschüssen Debatten über den Ausschluss der Westsahara aus den Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko zu führen.
Der von Erasmus+ finanzierte Jugendaustausch, der in Dakhla in der besetzten Westsahara stattfinden sollte, wird Berichten zufolge an einem anderen Ort stattfinden.
Im Rahmen eines vom Erasmus+-Programm der EU-Kommission geförderten Projekts sollen europäische Jugendliche nach "Nordafrika" geschickt werden - allerdings ohne sie darüber zu informieren, dass sie dadurch die illegale Besatzung der Westsahara zu normalisieren.
Seit Anfang Mai führte die Royal Air Maroc in Straßburg eine Propagandakampagne durch und bot Reisen in das besetzte Gebiet der Westsahara an.