Ohne die endgültige Entscheidung des EU-Gerichtshofs bezüglich noch laufender Abkommen abzuwarten, hat die EU-Kommission offenbar mit den Vorbereitungen für die Weiterführung der Fischerei in den Gewässern vor der besetzten Westsahara begonnen.
Photo: Ein Fischer in der Hauptstadt der besetzten Westsahara, El Aaiún. @ElliLorz
Die EU-Institutionen haben in den letzten acht Jahren keinen besonderen Enthusiasmus dafür gezeigt, sich in Bezug auf Entscheidungen zur Westsahara an ihr eigenes Gerichtssystem zu halten. Dieser scheint sich auch nach Bekanntwerden des EU-Korruptionsskandals fortzusetzen.
Mitte Dezember 2022 erhielt Western Sahara Resource Watch (WSRW) eine Einladung von Poseidon Aquatic Resource Management - einer Fischereiberatungsfirma - zur Teilnahme an einer Konsultation über die "technischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aspekte" im Zusammenhang mit den Aktivitäten, die im Rahmen des Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko 2019-2023 durchgeführt werden.
Poseidon wurde von der Generaldirektion Maritime Angelegenheiten und Fischerei (GD MARE) der Europäischen Kommission beauftragt, die Konsultation über das derzeitige Protokoll "sowie eine prospektive Bewertung eines möglichen zukünftigen Protokolls" durchzuführen, schrieb das Unternehmen an WSRW. Das komplette Schreiben vom von Poseidon an WSRW finden Sie hier.
WSRW hat heute geantwortet, dass es sich nicht an dieser Konsultation beteiligen wird. "Wir sehen keinen Sinn darin, die technischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aspekte eines Abkommens zu erörtern, dessen Anwendung in der Westsahara rechtswidrig ist" mit Bezug auf das Urteil des Gerichts des Europäischen Gerichtshofs vom September 2021, mit dem die Anwendung sowohl des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko als auch des Fischereiabkommens auf die besetzte Westsahara für ungültig erklärt wurde.
Der Gerichtshof argumentierte, dass das Volk des Gebiets - über das Marokko keine Souveränität oder ein Verwaltungsmandat hat - nicht über ihre von den Vereinten Nationen anerkannte Vertretung, die Frente Polisario, ihre Zustimmung gegeben hatte. Die EU-Kommission legte im Dezember 2021 Berufung gegen das Urteil ein. Die Abkommen bleiben jedoch für die Dauer des Berufungsverfahrens in Kraft, das voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 abgeschlossen sein wird.
Besonders besorgniserregend ist für WSRW, dass die EU-Kommission bereits ein zukünftiges Protokoll in Erwägung zieht. Ohne das Ergebnis des Berufungsverfahrens abzuwarten, hat die EU-Kommission Poseidon bereits mit einer vorläufigen Evaluierung beauftragt - einer ersten Bewertung, um Alternativen zum aktuellen Protokoll zu ermitteln, die den größten Nutzen aus der geplanten Investition ziehen.
"Dies ist besonders besorgniserregend, da der Anwendungsbereich eines solchen Protokolls durch das Abkommen festgelegt wird. Mit anderen Worten, das künftige Protokoll wird den gleichen geografischen Anwendungsbereich haben wie das derzeitige: einschließlich der Gewässer der besetzten Westsahara, über die Marokko nach internationalem Recht und Seerecht keine Souveränität oder Gerichtsbarkeit hat (siehe Rechtssache C-266/16)", schrieb WSRW an Poseidon.
WSRW hat Poseidon außerdem gebeten, mehrere Aspekte seines Auftrags zu klären, darunter die Frage, wie das Unternehmen das Reputationsrisiko einschätzt, eine Studie über die Fischerei in der Westsahara ohne die Zustimmung des Volkes der Westsahara durchzuführen und damit etwas zu legitimieren, das den UN-Friedensprozess, die Urteile des EuGH und die Rechte des sahrauischen Volkes untergräbt.
Die vollständige Antwort von WSRW an Poseidon finden Sie hier.
Der Großteil der Fischereiaktivitäten, die im Rahmen des Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko durchgefürt werden, findet nicht in Marokko, sondern in der besetzten Westsahara statt. Als Teil des finanziellen Ausgleichs an Marokko für den Zugang zu den Fischbeständen in Marokko und der Westsahara finanziert die EU die Entwicklung des marokkanischen Fischereisektors. Der größte Teil dieser sektoralen Unterstützung wurde mit Zustimmung der EU für den Aufbau von Fischereiinfrastruktur auf besetztem Land verwendet.
Der Gerichtshof der EU hat die Anwendung des Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko auf die Westsahara bereits 2018 für nichtig erklärt. Der Rat und die Kommission der EU ignorierten die Urteile des Gerichtshofs und nahmen Verhandlungen mit Marokko auf, um das Fischereiabkommen so zu ändern, dass es die Westsahara ausdrücklich in den definierten Anwendungsbereich einbeziehen würde. Das Volk der Westsahara wurde in den gesamten Prozess nicht einbezogen, und ihre Einwände gegen die Einbeziehung ihres Landes in die Abkommen wurden ignoriert. Die Anwendung des geänderten Fischereiabkommens in der Westsahara wurde im September 2021 vom Gericht des EU-Gerichtshofs erneut für nichtig erklärt. Das von der EU-Kommission und dem Rat eingeleitete Berufungsverfahren gegen dieses Urteil wird noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.
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Letzte Woche lieferte die norwegische Reederei Green Reefers tiefgefrorenen Fisch nach Russland, der unter Verletzung des Völkerrechts in der besetzten Westsahara gefangen wurde.
Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, in drei Parlamentsausschüssen Debatten über den Ausschluss der Westsahara aus den Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko zu führen.
In einem weiteren Urteil vom 4. Oktober 2024 entschied der EU-Gerichtshof, dass Produkte aus der Westsahara auf dem EU-Markt nicht als "aus Marokko" gekennzeichnet werden dürfen.
Heute Morgen hat der Europäische Gerichtshof ein wegweisendes Urteil gefällt. “Dieses Urteil ist ein bedeutender Sieg für das Volk der Westsahara. In einer Zeit, in der das Völkerrecht unter Druck steht, ist es von grundlegender Bedeutung, dass die EU ihrem eigenen Gericht folgt und die Kollaboration mit der Besatzungsmacht durch illegale Handelsabkommen beendet.”, kommentiert WSRW.