Auf der Jahreshauptversammlung am 12. Mai 2022 verteidigte das Unternehmen seine umstrittenen Aktivitäten in der Westsahara.
Oben: HeidelbergCement-Fabrik in der besetzten Westsahara. Foto von @ElliLorz
HeidelbergCement betreibt über seine marokkanische Tochtergesellschaft Ciments du Maroc (CIMAR) zwei Zementmahlwerke in der Westsahara mit Genehmigungen des marokkanischen Staates, der den größten Teil des Gebietes illegal besetzt hält. Das Unternehmen selbst betrachtet jedoch Marokko als die zuständige Behörde in dem Gebiet, wie aus den Antworten auf Fragen hervorgeht, die vom Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre in Zusammenarbeit mit Western Sahara Resource Watch (WSRW) eingereicht wurden.
Die Fragen von WSRW und Antworten des Konzerns während der Jahreshauptversammlung des Unternehmens am 12. Mai 2022 finden Sie hier. Der eingerichte Gegenantrag findet sich hier.
HeidelbergCement gab bei der Versammlung Auskunft über den Umfang der für die Produktion benötigten Ressourcen. "Unsere Tochtergesellschaft bezieht für die Zementproduktion im Gebiet der Westsahara jährlich etwa 150.000 Tonnen an Kalkstein und Puzzolanen von lokalen Lieferanten." Es ist unklar, ob sich das Unternehmen auf Lieferanten in der Westsahara selbst oder jenseits der Grenze zu Marokko bezieht, wenn es von "lokalen Lieferanten" spricht.
Auf der letztjährigen Jahreshauptversammlung gab das Unternehmen bekannt, dass es "Klinker und Gips aus Marokko importiert und weitere Rohstoffe von Unternehmen in sahrauischem Besitz bezieht", ohne weitere Angaben zu machen.
Das Unternehmen gab außerdem an, dass es den Ausgang der rechtlichen Verfahren vor dem Europäischen Gericht abwartet, um zu sehen, ob das Gericht "den Beschwerden der Kommission und des Rats stattgeben wird ". Die beiden letztgenannten EU-Institutionen haben gegen ein Urteil des EU-Gerichts vom September 2021 Berufung eingelegt. Dabei handelt es sich um das fünfte EU-Urteil in Folge, in dem festgestellt wird, dass Marokko keine Souveränität und kein Verwaltungsmandat über die Westsahara hat und dass letztere als „gesondert und unterschiedlich“ von allen anderen Staaten weltweit, einschließlich Marokko, anzusehen ist. Der Gerichtshof hielt daher konsistent bei allen Urteilen fest, dass das Volk der Westsahara zustimmen muss, damit ein bilaterales Abkommen mit Marokko ihr Land rechtmäßig einschließen kann. Im letzten Urteil vom September 2021 wurde darüber hinaus klargestellt, dass die Zustimmung durch die von den Vereinten Nationen anerkannte Vertretung des Volkes der Westsahara, der Frente Polisario, einzuholen ist und nicht durch eine Konsultation marokkanischer Akteur:innen oder Gruppen in dem Gebiet. Genau diesen letzten Punkt beanstandet die EU-Kommission in ihrer Beschwerde, und HeidelbergCement scheint dem zuzustimmen: "… die EU-Kommission zweifelt (…) die von Ihnen zitierte Repräsentativität und Parteifähigkeit der Frente Polisario an".
Der Vorstand des Unternehmens fügte hinzu, dass der Vorschlag Marokkos, dem Gebiet, das es illegal und militärisch besetzt hat und auf das es keinen Rechtsanspruch hat, Autonomie zu gewähren, ihn "vorsichtig optimistisch“ mache, “dass es zu einer Beilegung des Konflikts kommen wird". Der marokkanische Vorschlag sieht keine anderen Optionen, wie z.B. die Unabhängigkeit, vor und lässt somit keinen Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts zu, wie es vom Internationalen Gerichtshof und vom Gerichtshof der EU gefordert wird und das nach wie vor das Grundprinzip des UN-Konzepts zur Lösung des Westsahara-Konflikts ist.
Der Vorstand von HeidelbergCement wiederholte seine Behauptungen von der letztjährigen Hauptversammlung und erklärte, dass er gehe "dennoch davon aus, dass die lokale Bevölkerung mit unseren Geschäftstätigkeiten einverstanden ist" und dass ihnen von "durch die lokale Bevölkerung gewählten behördlichen Vertretern die notwendigen Genehmigungen erteilt" worden seien. Die Bevölkerung in der Westsahara besteht derzeit mehrheitlich aus marokkanischen Siedler:innen. Das eigentliche Volk des Territoriums, die Sahrauis, ist eine Minderheit, da viele von ihnen aufgrund der marokkanischen Besatzung aus ihrem Land geflohen sind. Sie sind es, die das souveräne Recht auf das Land und seine Ressourcen besitzen - nicht die ‚Bevölkerung’ des Gebiets oder Einzelpersonen, die einen Titel von den marokkanischen Behörden durch von Marokko organisierte Wahlen in einem Land erhalten haben, auf das diese kein Recht haben.
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