Durch das Abkommen werden russische Trawler ausschließlich in den Gewässern vor der besetzten Westsahara fischen.
Oben: Schiffe der russischen Fischereiflotte beim Warten in Arinaga, Kanarische Inseln, 12. Oktober 2020.
Am 27. November 2020 gab das marokkanische Landwirtschaftsministerium bekannt, dass Marokko und Russland ein neues Fischereiabkommen unterzeichnet haben [Download]. Das vorherige Abkommen war bereits im März dieses Jahres ausgelaufen. Die marokkanische Regierung verabschiedete das Abkommen am 3. Dezember und gab damit endgültig grünes Licht für den Beginn des Fischfangs [Download].
Das Abkommen bietet den Rahmen, der 10 russischen Trawlern erlaubt, kleine pelagische Arten zu fischen, welche vorwiegend in den Gewässern vor der Westsahara, die seit 1975 von Marokko militärisch besetzt ist, gefangen werden sollen. Die russische Regierung verwies am 3. Dezember auf ihrer Website darauf und erklärte, das Abkommen sei in Online-Sitzungen im September und Oktober abgestimmt und vereinbart worden.
Am 13. November 2020 hatte der bewaffnete Konflikt in der besetzten Westsahara wieder begonnen, nachdem Marokko das von der UNO vermittelte Waffenstillstandsabkommen von 1991 gebrochen hatte. Die marokkanische Armee war in ein Gebiet im südlichsten Teil der Westsahara – Guerguerat - in dem jegliche militärische Präsenz durch die Bedingungen des Waffenstillstandabkommens streng verboten ist, eingedrungen. Der Grenzübergang Guerguerat, ein 5 km langer, entmilitarisierter Streifen zwischen dem marokkanischen Militärwall und der Grenze zu Mauretanien, wird in erster Linie für den Transport von Gütern genutzt, darunter auch Fisch, der in der besetzten Westsahara gefangen und dann nach Mauretanien transportiert wird.
Russland war das erstes der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, das auf die neue Entwicklung reagierte und betonte, dass es "im Westsahara-Konflikt konsequent nach dem Grundsatz vorgeht, dass ein gerechter und dauerhafter Frieden ausschließlich mit politischen Mitteln auf der Grundlage des Völkerrechts erreicht werden kann".
"Eine bemerkenswerte Aussage, wenn bedacht wird, dass Russlands Fischereiaktivitäten in den besetzten Gebieten nicht die Zustimmung der Bevölkerung der Westsahara haben, wie es das Völkerrecht verlangt", sagt Sara Eyckmans von Western Sahara Resource Watch. "Angesichts der Tatsache, dass der Krieg in der Westsahara als direkte Folge der Plünderung des Territoriums durch Marokko wieder aufgeflammt ist, fordern wir Russland auf, dieses neue Abkommen auszusetzen und sich jeglicher Aktivität in der Westsahara zu enthalten, bis der Konflikt im Einklang mit dem Völkerrecht beigelegt ist", sagte Eyckmans.
Marokkanischen Medien berichten, dass ein gemeinsamer Ausschuss vor Beginn der Fischereitätigkeiten zusammentreten wird, um die Quote für die russischen Schiffe für das erste operative Jahr des Abkommens festzulegen und auch alle technischen Bestimmungen und finanziellen Regelungen für die Umsetzung des Abkommens festzulegen.
WSRW hat den Text des unterzeichneten Abkommens noch nicht einsehen können, hat jedoch eine englische Übersetzung des Anfang dieses Jahres von der russischen Regierung veröffentlichten Abkommensentwurfs zur Verfügung gestellt. Die inoffizielle Übersetzung wurde mit Änderungsnachverfolgung erstellt, um alle Änderungen hervorzuheben, die ab 2016 an der vorherigen Version des Abkommens vorgenommen wurden. Daraus wird ersichtlich, dass es keine bestimmten Änderungen am Aktenentwurf des früheren Abkommens.
Im Rahmen des vorherigen, von 2016 bis 2020 gültigen Abkommens gewährte Russland Marokko eine feste jährliche Ausgleichszahlung von 7 Millionen USD. Darüber hinaus zahlten die russischen Schiffseigner eine Lizenzgebühr in Höhe von 17,5% des Gesamtwertes des gefangenen Fisches, berechnet auf der Grundlage der Buchwerte pro Tonne folgender Arten von Fischfertigprodukten: Gefrorene Fischprodukte 596$, Beifang 1344$, Fischmehl 1176$ und Fischöl 1008$. Im Gegenzug konnten 10 russische Trawler im ersten operativen Jahr des Abkommens 140.000 Tonnen Fisch fangen. Sowohl die Quoten als auch die Anzahl der Trawler wurden jährlich überprüft.
Das erste Fischereiabkommen zwischen Russland und Marokko stammt aus dem Jahr 1992. Das neu unterzeichnete Abkommen ist das achte seiner Art.
Die Fischbestände der besetzten Westsahara ziehen nicht nur das Interesse der marokkanischen Flotte auf sich: Auch andere internationale Akteure fischen in den besetzten Gewässern durch Vereinbarungen mit marokkanischen Behörden. Entlang der Küste der Westsahara hat sich ein ganzer verarbeitender Industriezweig entwickelt.
Ein externer Evaluierungsbericht zum Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko für den Zeitraum 2019-2023 bestätigt, dass das Abkommen fast ausschließlich für Fischerei in der besetzten Westsahara genutzt wird.
Die Hälfte der marokkanischen Muschelexportunternehmen, die für die Ausfuhr in die EU zugelassen sind, befindet sich in der besetzten Westsahara.
Ohne die endgültige Entscheidung des EU-Gerichtshofs bezüglich noch laufender Abkommen abzuwarten, hat die EU-Kommission offenbar mit den Vorbereitungen für die Weiterführung der Fischerei in den Gewässern vor der besetzten Westsahara begonnen.