... und die Wiederaufnahme bleibt ungewiss.
FOTO: Die EU hat die Pläne der marokkanischen Regierung für illegale Ansiedlung in den besetzten Gebieten stark finanziert. Das Bild zeigt die Fischhalle in Lamhiriz bei Dakhla, die 2009 errichtet wurde. Die EU hat im Rahmen des Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko Millionen in die Infrastruktur von Lamhiriz investiert, die unter Verletzung des Völkerrechts in den besetzten Gebieten errichtet wurde. @ElliLorz
Seit Wochen wird darüber spekuliert, wie die EU mit diesem komplexen Dilemma umgehen würde. Einerseits läuft das aktuelle Fischereiprotokoll zwischen der EU und Marokko im Juli 2023 aus. Die EU-Fischereiindustrie und damit auch mehrere EU-Mitgliedstaaten drängen darauf, dass die umstrittene Fischerei ohne Unterbrechung fortgesetzt wird.
Andererseits wird die Rechtmäßigkeit des Fischereiabkommens immer noch vom EU-Gerichtshof geprüft. Das Gericht erklärte im September 2021 die Anwendung des Abkommens in der Westsahara für nichtig und kam zu dem Schluss, dass die Fischerei vor der Küste des Gebiets sofort eingestellt werden müsse oder für die Dauer eines Berufungsverfahrens fortgesetzt werden könne. Das vom EU-Rat und der Kommission eingeleitete Berufungsverfahren wird voraussichtlich Ende 2023 abgeschlossen sein.
Was wäre also nach dem Auslaufen des Protokolls im Juli 2023 zu tun, bis das endgültige Berufungsurteil ergangen ist? Wäre es im Rahmen der vom EU-Gericht gesetzten Grenzen möglich, ein Abkommen neu zu verhandeln, das bereits vom Gericht für nichtig erklärt wurde?
Ein Schreiben des niederländischen Landwirtschaftsministers vom 28. März 2023, das sich an das niederländische Parlament wendet, klärt zum ersten Mal offiziell den Ausgang dieses Dilemmas. Der Minister beruft sich auf Informationen der Kommission, die nun offenbar zu dem Schluss gekommen ist, dass sie keine Gespräche mit Marokko über eine Verlängerung des Fischereiprotokolls aufnehmen wird, obwohl mehrere EU-Mitgliedstaaten dies von ihr verlangen.
"Die Kommission wies darauf hin, dass eine Verlängerung des Protokolls vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs [im Berufungsverfahren, Anm. d. Red.] nicht in Frage kommt, da der Gerichtshof den Beschluss des Rates zur Genehmigung des Fischereiprotokolls für nichtig erklärt hat. Eine vorübergehende Unterbrechung der Fangmöglichkeiten in der Westsahara scheint daher nach Ansicht der Kommission unvermeidlich zu sein", schrieb der niederländische Minister. Die Informationen der Kommission stammen aus einer Sitzung des EU-Fischereirates vom 20. März, bei der die Fischereiminister:innen der 27 EU-Mitgliedstaaten zusammengekommen waren, um die Situation zu analysieren.
Eine Übersetzung der Absätze im Schreiben des niederländischen Ministers, die sich mit dem Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko befassen, finden Sie am Ende des Artikels.
Die "unvermeidliche" "vorübergehende Unterbrechung der Fangmöglichkeiten in der Westsahara" ergibt sich natürlich aus der Tatsache, dass der EU-Gerichtshof derzeit die Rechtmäßigkeit dieser Praxis prüft.
Die Beendigung der Fischereipraktiken stünde im Einklang mit den bisherigen Urteilen des EU-Gerichtshofs. Dies ist das erste Mal, dass die EU-Kommission ihre Praktiken mit der EU-Rechtsprechung zur Westsahara in Einklang bringt.
Quellen im EU-Parlament teilten Western Sahara Resource Watch (WSRW) bereits im März mit, dass die EU-Kommission bei einem Meinungsaustausch hinter verschlossenen Türen mit dem Fischereiausschuss des Parlaments am 1. März erklärt hatte, dass sie die EU-Flotte nach Ablauf des Abkommens zurückrufen und keine Verlängerung beantragen würde.
Ironischerweise fällt die Unterbrechung der EU-Fischereiaktivitäten im Juli mit dem Beginn der spanischen Ratspräsidentschaft für sechs Monate zusammen.
Im September 2021 untersagte das Gericht des Europäischen Gerichtshofs die Anwendung des Fischereiabkommens der EU mit Marokko in der besetzten Westsahara, indem es den Beschluss des Rates der EU zum Abschluss des Abkommens und des Protokolls für nichtig erklärte. Der Gerichtshof wiederholte die Gründe, die er bereits in fünf früheren Urteilen angeführt hatte, die alle die Anwendung der EU-Abkommen mit Marokko in der letzten Kolonie Afrikas für ungültig erklärten: Da die Westsahara ein von Marokko gesondertes und unterschiedliches Territorium ist und Marokko keine Souveränität bzw. Verwaltungsmandat über das Gebiet hat, können die EU-Abkommen mit Marokko dort nicht angewendet werden, es sei denn, es liegt die ausdrückliche Zustimmung des Volkes der Westsahara durch ihre von den Vereinten Nationen anerkannte Vertretung, die Frente Polisario, vor.
Die Kommission und der Rat haben schon früher Gerichtsurteile zur Westsahara ignoriert und falsch dargestellt, wie im WSRW-Bericht Above the Law ausführlich dokumentiert.
Das Protokoll setzt das Fischereiabkommen in technischer Hinsicht für einen Zeitraum von vier Jahren um und legt die zulässigen Fangmengen und Fanggebiete, die erlaubten Fangtechniken, den finanziellen Ausgleich usw. fest.
Vollständige Erklärung des niederländischen Fischereiministers vom 28. März 2023 zur "Zukunft des SFPA-Protokolls zwischen der EU und Marokko (Verschiedenes)" - inoffizielle Übersetzung von WSRW.
"Lettland, Litauen und Polen plädierten für eine Verlängerung des Protokolls zum partnerschaftlichen Abkommen über nachhaltige Fischerei (SFPA) zwischen der EU und Marokko. Das derzeitige Protokoll läuft am 17. Juli aus, aber aufgrund eines anhängigen Gerichtsverfahrens über die Westsahara vor dem Europäischen Gerichtshof können die Verhandlungen über ein neues Protokoll frühestens Ende 2023 beginnen. Damit wird ein Zeitraum ohne rechtsgültiges Fischereiprotokoll geschaffen, in dem die Fischerei nicht erlaubt ist. Sie äußerten ihre Besorgnis über die möglichen Folgen für den Sektor und die Fischbestände, wenn die europäischen Schiffe diese Region verlassen müssen. Diese Mitgliedstaaten forderten die Kommission auf, alle möglichen Schritte zu unternehmen, um das Protokoll zu verlängern und sicherzustellen, dass die Fischer:innen in den Gewässern der Westsahara weiterhin fischen können.
Die Niederlande und eine Reihe anderer Mitgliedstaaten erklärten, sie würden eine Verlängerung des derzeitigen Protokolls unterstützen. Die Kommission erklärte, dass sie sich der Bedeutung des Protokolls bewusst sei und dass sie die verschiedenen möglichen Optionen analysiere. Die Kommission wies darauf hin, dass eine Verlängerung des Protokolls vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht in Frage kommt, da der Gerichtshof den Beschluss des Rates zur Genehmigung des Fischereiprotokolls für nichtig erklärt hat. Eine vorübergehende Unterbrechung der Fangmöglichkeiten in der Westsahara scheint daher laut der Kommission unvermeidlich.
Der Kommissar wies darauf hin, dass das Protokoll mit dem Nachbarland Mauretanien nicht voll ausgeschöpft wird und eine Alternative für den Sektor darstellen könnte, bis eine Entscheidung über das Protokoll mit Marokko getroffen wird."
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Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, in drei Parlamentsausschüssen Debatten über den Ausschluss der Westsahara aus den Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko zu führen.
Heute Morgen hat der Europäische Gerichtshof ein wegweisendes Urteil gefällt. “Dieses Urteil ist ein bedeutender Sieg für das Volk der Westsahara. In einer Zeit, in der das Völkerrecht unter Druck steht, ist es von grundlegender Bedeutung, dass die EU ihrem eigenen Gericht folgt und die Kollaboration mit der Besatzungsmacht durch illegale Handelsabkommen beendet.”, kommentiert WSRW.
Die Fischbestände der besetzten Westsahara ziehen nicht nur das Interesse der marokkanischen Flotte auf sich: Auch andere internationale Akteure fischen in den besetzten Gewässern durch Vereinbarungen mit marokkanischen Behörden. Entlang der Küste der Westsahara hat sich ein ganzer verarbeitender Industriezweig entwickelt.
In einem neuen Bericht erläutert die EU-Kommission, wie marokkanische Siedler:innen in der Westsahara von einem Handelsabkommen profitieren, das der EU-Gerichtshof für illegal erklärt hat.