Der Rat der Europäischen Union wird am 27. Januar 2021 einen Vorschlag diskutieren, der Marokko erlaubt, dem Interbus-Abkommen beizutreten - aber macht deutlich, dass das Abkommen nicht auf die Westsahara ausgeweitet wird.
Foto: Ein Bus bei einem Stopp am Straßenrand zwischen Agadir und El Aaiún / Atle Richter Schie.
Ende November 2020 legte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des sogenannten Interbus-Abkommens vor, die Marokko die Option einräumt, der EU-Buskooperation beizutreten. Das Interbus-Abkommen regelt den Personenverkehr mit Omnibussen zwischen der EU und einer Reihe von Nicht-EU-Ländern.
Bemerkenswert ist, dass in der Begründung des vorgeschlagenen Ratsbeschlusses explizit darauf hingewiesen wird, dass das Abkommen nur für Marokko und nicht für das "Hoheitsgebiet ohne Selbstverwaltung Westsahara" gelten wird. Der Text verweist auf die "Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Rechtssachen C-266/16, C-104/16P, T-275/18 und T-180/14".
Die referenzierten Rechtsfälle sind Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die alle zu dem Schluss kamen, dass die Westsahara nicht Teil Marokkos ist und dass daher das Abkommen, das Gegenstand des jeweiligen Gerichtsverfahrens war - wie das Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko, das Handelsabkommen und das Luftverkehrsabkommen - nicht auf die Westsahara angewendet werden kann.
"Dies ist das erste Mal, dass die EU-Kommission proaktiv und explizit die Westsahara vom Geltungsbereich eines Abkommens mit Marokko ausschließt", sagt Sara Eyckmans von Western Sahara Resource Watch. "Dies ist ein sehr lobenswerter Schritt der Kommission, die in vollem Einklang mit den Entscheidungen des EU-Gerichtshofs steht. Wir erwarten, dass dies der Beginn einer EU-Politik sein wird, die fest im internationalen und EU-Recht verankert ist: eine Politik, die Marokko und die Westsahara als zwei gesonderte und unterschiedliche Territorien behandelt", so Eyckmans.
Im Jahr 2020 hatte die EU-Kommission bereits erklärt, dass sie keine Berufung gegen das Urteil des EuGHs einlegen werde, das besagt, dass das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und Marokko nicht auf die Westsahara angewendet werden kann. "Es sind keine Verhandlungen vorgesehen, um die Westsahara in ein Luftverkehrsabkommen aufzunehmen", erklärte die Kommission damals. Damit wurde bereits eine neue Herangehensweise eingeleitet, denn sowohl beim Handelsabkommen als auch beim Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko hatte die EU-Kommission Nachverhandlungen mit Marokko aufgenommen, um einen ausdrücklichen Verweis auf die Westsahara in den territorialen Geltungsbereich der Abkommen aufzunehmen.
"Der explizite Ausschluss der Westsahara von der Ausdehnung des Interbus-Abkommens auf Marokko deutet auf einen Fortschritt in der Interpretation der internationalen und EU-Rechtsprechung durch die EU-Kommission hin", sagt die Europaabgeordnete Tilly Metz (Luxemburg, Grüne/EFA), Mitglied des Ausschusses für Verkehr und Tourismus des Europäischen Parlaments. "Rechtlich gesehen war es nicht nötig, dies so wörtlich zu formulieren: Dass das Abkommen für Marokko gilt, bedeutet bereits, dass es rechtlich nicht auf die Westsahara angewendet werden kann. Dieser Schritt erinnert an die Praxis der EU gegenüber Palästina, das explizit von den Abkommen der EU mit Israel ausgeschlossen ist."
Es wird erwartet, dass der EU-Rat - also die Mitgliedsstaaten - die Änderung zur Ausweitung des Interbus-Abkommens auf Marokko bald beschließen wird. Eine Ratssitzung zu diesem Thema war für den 27. Januar angesetzt. Es ist erwähnenswert, dass der Rat zwar den Text des Entscheidungsentwurfs ändern kann, nicht aber das Memorandum, das die ausdrückliche Formulierung enthält, das vorgeschlagene Abkommen nicht auf die Westsahara auszuweiten.
Das Interbus-Abkommen ist offen für den Beitritt von Ländern, die Vollmitglieder der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (EMCT) sind - was Marokko nicht ist, obwohl es einen Beobachterstatus hat. Heute umfasst das multilaterale Abkommen die EU, zusammen mit Albanien, Andorra, Bosnien und Herzegowina, Moldawien, Montenegro, Nordmazedonien, der Türkei und der Ukraine. Das letztgenannte Land könnte angesichts der Situation auf der besetzten Krim und im Dombass eine besondere Sensibilität bezüglich des Ausschlusses der Westsahara haben.
Der Vorschlag fügt Marokko zu einer Liste von Ländern hinzu, die dem Interbus-Abkommen beitreten können. Andere Länder, die bereits auf dieser Liste stehen, sind San Marino und Monaco.
Verfahrenstechnisch müssen alle Vertragsparteien des Interbus-Abkommens das Protokoll über Marokko unterzeichnen und ratifizieren, bevor es tatsächlich in Kraft treten kann. Es wird erwartet, dass der EU-Rat das Protokoll im Namen der EU in den kommenden Wochen abschließen wird.
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Im Rahmen eines vom Erasmus+-Programm der EU-Kommission geförderten Projekts sollen europäische Jugendliche nach "Nordafrika" geschickt werden - allerdings ohne sie darüber zu informieren, dass sie dadurch die illegale Besatzung der Westsahara zu normalisieren.
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