Marokko liefert Argument für Sahara-Einkünfte unter UN-Treuhand
Article image
„Solange die marokkanische Regierung weiterhin bestreitet, dass die Rohstoffvorkommen der Westsahara im Konflikt eine zentrale Stellung spielen und damit suggeriert, dass es im Gebiet keine natürlichen Ressourcen gäbe, sollte sie sich dem Vorschlag nicht widersetzen, solche Ressourcen unter UN-Verwaltung zu stellen“, meint Western Sahara Resource Watch (WSRW).
Veröffentlicht 07. September 2010


Abbildung: Das Erdölsondierungsprogramm der marokkanischen Regierung in der Westsahara geht trotz des UN-Rechtsgutachtens aus dem Jahre 2002 weiter.

In einer treffenden Kolumne in der New York Times vom 30. Juni 2010 kritisiert Nicholas D. Kristof die fortgesetzte israelische Besetzung von palästinensischen Gebieten.

Er fügt hinzu: „Es ist nur fair, wenn man zugibt, dass es bei Beurteilungen im Nahen Osten, insbesondere bei israelischen Übergriffen, zweierlei Standards gibt. Schließlich aber hat der größte Landraub im arabischen Raum gar nichts mit Palästinensern zu tun: Es ist Marokko, das die rohstoffreiche Westsahara der dort ansässigen Bevölkerung geraubt hat.“

Diese Bemerkung veranlasste den marokkanischen Botschafter mit einem Leserbrief zu protestieren, worin er die Ansichten seiner Regierung über die Geschichte und den völkerrechtlichen Status der Westsahara darlegte. In seiner Antwort an die Zeitung behauptete der Botschafter, das Gebiet sei historisch ein Teil Marokkos gewesen und „man hat es von Spanien, der ehemaligen Kolonialmacht, als Ergebnis des ‚dreiseitigen Abkommens von Madrid’ im Jahre 1975 zurückerhalten“.

Der Botschafter machte geltend: „Marokko hat in dem Gebiet, das nicht ‚rohstoffreich’ ist, zur Entwicklung der Infrastruktur enorme Investitionen getätigt, ohne die der Bevölkerung jegliche Lebensgrundlage und Zukunftsfähigkeit fehlen würden. So seien seit 1976 mehr als vier Milliarden Dollar der marokkanischen Regierung in das Gebiet geflossen, während sich kaum Einnahmen aus der Nutzung der Ressourcen des Gebiets ergaben.“

Doch alle diese Aussagen sind völlig falsch:. Weder ist das Gebiet der Westsahara Teil Marokkos noch hat es jemals in irgendeiner Weise zu Marokko gehört. Tatsächlich wird die Westsahara wird von den Vereinten Nationen als letzte Kolonie Afrikas betrachtet und in der Liste der „nicht selbstständig regierten Territorien“ geführt.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in seinem Westsahara-Rechtsgutachten 1975 festgestellt, dass er keinerlei territoriale Souveränitätsbindungen zwischen der Westsahara und dem Königreich Marokko sehen kann. Deshalb hält der Gerichtshof „das Prinzip der Selbstbestimmung durch eine freie und echte Willensäußerung der Bevölkerung des Gebiets“ für geboten ( Bericht des IGH 1975, S.68, §162). Die andauernde marokkanische Besetzung wird von den Vereinten Nationen verurteilt; und kein Land außer Marokko hat dessen Gebietsanspruch anerkannt.

Da die Westsahara sich immer noch auf dieser UN-Liste der „nicht selbstständig regierten Territorien“ befindet, gelten besondere Regeln für die Nutzung aller Ressourcen in diesem Gebiet. Wie ganz klar aus einem UN-Rechtsgutachten aus dem Jahre 2002 hervorgeht: „ ... geschieht die Erforschung, die Erschließung und der Abbau der natürlichen Ressourcen unter Missachtung der Wünsche und Interessen der ansässigen Bevölkerung, verstößt dies gegen die für nicht selbstständig regierte Territorien geltenden Grundsätze des humanitären Völkerrechts (Rechtsgutachten S/2002/161, § 25 des ehemaligen UN General-Untersekretärs für rechtliche Angelegenheiten, H. Corell, http://www.arso.org/Olafr.pdf).

Genau dieses UN-Rechtsgutachten bekräftigt die Nichtigkeit des Madrider Abkommens aus dem Jahr 1975, auf das sich der marokkanische Botschafter in seinem Schreiben bezieht, um die marokkanische Landübernahme zu rechtfertigen. Gemäss diesem Rechtsgutachten steht es einzig den Saharauis zu, über das Land und dessen Ressourcen zu entscheiden – keineswegs aber der marokkanischen Regierung.

Western Sahara Resource Watch hat sorgfältig recherchiert und dokumentiert, wie Marokko Jahr für Jahr Dollarbeträge in Milliardenhöhe durch das Ausplündern der Ressourcen der Westsahara abzieht, während die einheimische Bevölkerung des Gebiets dabei leer ausgeht. Der marokkanische Botschafter versicherte der NYT gegenüber, dass seine Regierung vier Milliarden Dollar im Gebiet investiert habe. Sollte diese Angabe richtig sein, so entspräche das tatsächlich etwa den Einnahmen, die Regierungsstellen aus den Phosphatexporten aus dem Gebiet allein im letzten halben Jahrzehnt zugeflossen sind. Als die Phosphatpreise 2008 auf fast 500 Dollar pro Tonne angestiegen waren, belief sich die Produktion der Mine in Bou Craa in der Westsahara auf fast vier Millionen Tonnen. Die marokkanische Regierung ist wahrscheinlich selbst dazu in der Lage, diese beiden Zahlen miteinander zu multiplizieren.

Vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung , die den Ressourcen mittlerweile in diesem Konflikt zukommt, schlägt WSRW dem Weltsicherheitsrat vor, einen Mechanismus zu schaffen, der sicherstellt, dass die Einkünfte durch die Ausbeutung der Ressourcen der Westsahara solange einer internationalen Aufsicht unterstellt bleiben bis der Status des Gebiets geklärt ist; wie dies im übrigen in der Vergangenheit mit anderen besetzten oder kolonialen Gebieten auch geregelt worden ist.

Wenn die marokkanische Regierung daran festhält, dass die Westsahara nicht als rohstoffreich bezeichnet werden kann, wie der Botschafter interessanterweise behauptet , sollte Marokko keinerlei Problem mit der Annahme eines derartigen Mechanismus haben.






Nachrichten

Siemens Energy & Co wollen Marokko mit Strom aus besetzter Westsahara versorgen

Siemens Energy ist unter den multinationalen Konzernen, die Berichten zufolge Interesse bekundet haben, Marokko beim Transport von in der besetzten Westsahara erzeugtem Strom in sein Staatsgebiet zu unterstützen.

04. Dezember 2024

Macron schickt französische Unternehmen in schwieriges Fahrwasser

Während die französische Regierung jegliche völkerrechtliche Norm in der Westsahara ignoriert, setzt sie ihre eigenen Unternehmen einem ernsthaften Risiko aus.

20. November 2024

Ryanair kündigt Flüge in besetztes Gebiet an

Die irische Fluggesellschaft hat eine neue Route nach Dakhla in "Marokko" angekündigt und lobt die Besatzungsmacht für ihre "Unterstützung und Vision bei der Sicherung dieser Großinvestition".

19. November 2024

So viel hat die EU den Sahrauis gestohlen

Ein von der EU-Kommission erstellter Bericht gibt Aufschluss über die enorme Summe, die die EU in nur einem Jahr und das allein im Rahmen des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko den Sahrauis vorenthält.

18. November 2024