Die Afrikanische Entwicklungsbank hat den Bau eines umstrittenen marokkanischen Energiekabels in der Westsahara nicht finanziert, obwohl öffentliche Ausschreibungsunterlagen darauf hindeuteten.
Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) gab am 28. April 2020 auf ihrer eigenen Website bekannt, dass sie der staatlichen marokkanischen Strom- und Wasserbehörde ONEE ein Darlehen für den Bau einer Energieübertragungsleitung zwischen der Westsahara und Marokko gewährt hat. Die Information erschien in einem Ausschreibungsdokument der ONEE, in dem klargestellt wurde, dass das von der AfDB finanzierte Projekt Hagounia - eine ländliche Stadt in der Westsahara - betrifft.
Die Übertragungsleitung ist umstritten, da sie Marokko durch Projekte auf besetztem Land von der in der Westsahara produzierten Energie abhängig machen würde.
Western Sahara Resource Watch (WSRW) schrieb über die Kontroverse im Jahr 2021.
Diese Informationen scheinen jedoch nicht mehr zu stimmen, wie die Bank selbst mitteilte. Wie WSRW erfahren hat, hat einer der Eigentümer der Bank von dieser die Klarstellung erhalten, dass die Finanzierung der neuen Übertragungsleitung den Ort Hagounia gar nicht abdeckt.
"Hagounia liegt nicht im Umkreis des von der Bank finanzierten Projekts", heißt es in dem Dokument. Weiterhin teilte die Bank mit, dass die geförderte Leitung zwischen einem neuen Umspannwerk im Süden des Khenifiss-Nationalparks und dem Umspannwerk Tan-Tan II", beide in Marokko, gebaut werden soll.
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die offizielle Praxis der Bank darin besteht, dass sie keine Projekte auf dem Gebiet der Westsahara wissentlich bzw. bewusst finanziert. Abgesehen von dieser Praxis hat die Bank keine offizielle Politik in dieser Hinsicht. Folglich hat die AfDB derzeit kein Projekt, keine Investition und keine Partnerschaft in diesem Gebiet".
Die Bank ist im Besitz von den 54 afrikanischen Staaten und 27 nicht-afrikanischen Staaten.
WSRW ist es nicht gelungen, direkt von der Bank eine Klarstellung zu erhalten. WSRW schrieb am 3. Mai 2021 an die AfDB und fragte, ob ihr der volle Umfang des in der Ausschreibung beschriebenen Projekts bekannt sei, nämlich der Anschluss der Energieanlagen in der besetzten Westsahara an das marokkanische Stromnetz. Es wurde jedoch nicht geantwortet. Das Schreiben wurde am 28. April 2022 und am 28. Januar 2023 erneut verschickt, weiterhin ohne Antwort. WSRW wandte sich auch schon 2015 an die AfDB, ohne eine Antwort zu erhalten.
Im jüngsten Schreiben verweist die WSRW auf das bahnbrechende Urteil des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker vom 22. September 2022, das zu dem Schluss kommt, dass die Besatzung der Westsahara durch Marokko eine schwerwiegende Verletzung des Rechts des sahrauischen Volkes auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit darstellt, und erkundigt sich, ob es für die AfDB nicht an der Zeit sei, eine Strategie in dieser Angelegenheit zu entwickeln.
Die Charta der Bank aus dem Jahr 1963 legt in Artikel 14 fest, dass die Bank "Finanzierungen für jedes regionale Mitglied [...] auf dem Gebiet eines jeden regionalen Mitglieds bereitstellen oder erleichtern kann". Im jüngsten Schreiben der WSRW wurde allgemein gefragt, ob es mit der Charta der AfDB vereinbar sei, Projekte eines Mitglieds außerhalb des nationalen Territoriums eines Mitgliedstaats zu unterstützen.
Das Länderprofil der AfDB-Website suggeriert immer noch - fälschlicherweise -, dass die Westsahara zu Marokko gehört [Download hier].
Einige Monate, nachdem die oben genannten Aussagen dem Eigentümer mitgeteilt wurden, veröffentlichte die Bank Dokumente zu Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen für acht verschiedene Abschnitte der marokkanischen "Projekte zur Stärkung der Netze im Süden und im Zentrum-Casa". Die Dokumente wurden am 9. November 2022 über eine spezielle Seite auf der Website der Bank zugänglich gemacht, die eine Zusammenfassung der Dokumente zum Programm "P-MA-FA0-008" enthält.
Zwei der veröffentlichten Abschnittsstudien beziehen sich auf das Gebiet der Westsahara. Die eine bezieht sich auf das 128 Kilometer lange Kabel zwischen Tan Tan in Marokko und Hagounia in der Westsahara [Download hier]. Die andere bezieht sich auf das 127 Kilometer lange Kabel zwischen Hagounia und "Laayoune II" - beides Orte in der Westsahara [Download hier].
Die Autorin des Berichts - eine marokkanische Beratungsfirma - schreibt in der Einleitung der Bewertungen, dass sie die Bewertungsregeln der Afrikanischen Entwicklungsbank berücksichtigt hätten. Beide Dokumente enthalten ein separates Kapitel zu den rechtlichen Aspekten des Kabels, weisen aber mit keinem Wort darauf hin, dass die sich beiden Abschnitte des Projekts außerhalb Marokkos, auf besetztem Land, befinden und dass daher Verweise auf die marokkanische Gesetzgebung oder Landbesitz fragwürdig sind. Bei allen Verweisen in der Studie wird nicht berücksichtigt, dass das Projekt auf Land, das dem Volk der Westsahara gehört, durchgeführt werden soll.
Am 9. November 2022 veröffentlichte die Afrikanische Entwicklungsbank zwei Umwelt- und Folgenabschätzungen zum marokkanischen Übertragungskabel auf besetztem Land.
Es ist nicht bekannt, warum diese PDF-Dateien auf der Website der Afrikanischen Entwicklungsbank veröffentlicht wurden, wenn man bedenkt, dass die Bank gegenüber ihrem Eigentümer erklärt, dass sie sich nicht in dem Gebiet engagiert.
Die beiden Akten enthalten zahlreiche Karten, die die Westsahara als Teil Marokkos darstellen - eine Position, die weder von den Vereinten Nationen noch von der Afrikanischen Union oder dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker geteilt wird.
Die ausbleibende Antwort der Afrikanischen Entwicklungsbank an WSRW wird im Bericht "Greenwashing Occupation" erwähnt, den WSRW im Jahr 2021 über Marokkos schnell wachsende Energieinfrastruktur in dem illegal besetzten Gebiet herausgegeben hat.
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Siemens Energy ist unter den multinationalen Konzernen, die Berichten zufolge Interesse bekundet haben, Marokko beim Transport von in der besetzten Westsahara erzeugtem Strom in sein Staatsgebiet zu unterstützen.
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