Eine Tochtergesellschaft des französischen Konzerns VINCI SA wird ein Projekt durchführen, das für den Anschluss der umstrittenen Energieprojekte in der besetzten Westsahara an das nationale marokkanische Stromnetz von entscheidender Bedeutung ist.
Die UNO wird 1991 in die Westsahara entsandt, um ein Referendum über die Unabhängigkeit durchzuführen. Marokko verweigert dem saharauischen Volk seine Rechte und will nun die erneuerbaren Energieprojekte des Königs in dem Territorium an die marokkanische Stadt Agadir anschließen. (UN-Foto/Martine Perret)
Die marokkanische Agentur für Elektrizität und Trinkwasser (ONEE) hat das französische Ingenieurunternehmen VINCI im Februar 2021 mit dem Bau einer 400-kV-Übertragungsleitung zwischen El Aaiún und Hagounia, einem Ort unmittelbar südlich der Grenze zwischen Marokko und der besetzten Westsahara, beauftragt. Der Auftrag wurde an die VINCI-Tochter Cegelec vergeben.
"Mit dem Kabel wird der Grundstein für das gelegt, was wir seit Jahren befürchtet haben. Jetzt wird die illegale Energieinfrastruktur Marokkos in der Westsahara marokkanische Städte mit Energie versorgen. Später wird diese an das EU-Netz angeschlossen werden. Der Vertrag mit VINCI untergräbt grundlegend die Chance auf Frieden in dem Territorium", so Sara Eyckmans von Western Sahara Resource Watch.
Cegelec und sein marokkanisches Partnerunternehmen Medicable hatten in einem Ausschreibungsverfahren, an dem sich auch ENGIE, Larsen & Toubro und Elsewedy beteiligten, mit einem Angebot von angeblich 25,9 Millionen Dollar den Zuschlag erhalten. Der Bau der 127-km-Höchstspannungsleitung wird von ONEE mit Eigenkapital finanziert.
Western Sahara Resource Watch (WSRW) richtete am 30. April 2021 ein Schreiben an VINCI SA, in dem das Unternehmen aufgefordert wurde, zu klären, wie es um den Rechtsstatus der Westsahara steht. Das Unternehmen antwortete am 17. Mai 2021 mit einem Verweis auf seinen Menschenrechtsleitfaden, ohne eine der gestellten Fragen zu beantworten. WSRW schrieb noch am selben Tag zurück und bestand auf weiteren Klarstellungen - vor allem, weil der spezifische und einzigartige Status der Westsahara bedeutet, dass er nicht von den Standard-Menschenrechtsleitfäden abgedeckt wird und als solcher eine zusätzliche Bewertung verdient. Bis heute hat VINCI nicht geantwortet.
Die von Cegelec geplante Übertragungsleitung ist Teil eines umfassenderen Projekts, das den Bau von Höchstspannungsleitungen zwischen El Aaiún und Agadir in Marokko vorsieht. Im Wesentlichen sollen diese Leitungen dazu dienen, Strom aus den Kraftwerken in der besetzten Westsahara - alle im Besitz von Nareva, dem Energieunternehmen des marokkanischen Königs - für die Übertragung nach Marokko abzunehmen.
Innerhalb dieses breiteren Projektrahmens hat ONEE bereits eine Ausschreibung für den Bau der Übertragungsleitungen zwischen Hagounia und Agadir gestartet. Berichten zufolge hat das Projekt bereits finanzielle Unterstützung von der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) erhalten. WSRW schickte am 3. Mai 2021 einen Brief an die AfDB und fragte, ob der Bank der volle Umfang des Projekts bekannt sei, nämlich die Anbindung der Anlagen für erneuerbare Energien in der besetzten Westsahara an das marokkanische Stromnetz. Die AfDB hat nicht geantwortet.
Die Verstärkung des südlichen Netzes von ONEE in Marokko selbst sollte die Verteilung von Strom ermöglichen, der von bestehenden oder zukünftigen Wind- und Solarparks im Norden der Westsahara, in der Nähe von El Aaiún und Boujdour, erzeugt wird. Die meisten dieser Parks werden von Nareva, einer Tochtergesellschaft der königlichen Holdinggesellschaft Al Mada, betrieben und umfassen den derzeit in Betrieb befindlichen 50-MW-Windpark in Foum el Oued und den 200-MW-Windpark Aftissat, zusätzlich zu dem für 300-MW geplanten Kraftwerk in Tiskrad und einem 300-MW-Kraftwerk in Boujdour, das von Enel Green Energy und Siemens Gamesa gebaut werden soll. All diese Windparks werden mit Windräder von Siemens Energy und seinen Tochterunternehmen ausgestattet.
Keiner von Marokkos Plänen und Verträgen ist mit der Zustimmung der von den UN anerkannten Vertretung des Volkes der Westsahara unterzeichnet.
Es ist nicht das erste Mal, dass VINCI in Projekte in der Westsahara involviert ist. Im Jahr 2015 führte eine VINCI-Tochter, Entrepose, im Auftrag von San Leon Energy die umstrittene Bohrung nach Erdgas und -öl durch. Dabei handelt es sich um die einzige derartige Bohrung, die seit der illegalen Besetzung von Teilen der Westsahara durch Marokko im Jahr 1975 durchgeführt wurde.
Die Pläne, die erneuerbare Energieerzeugung in der Westsahara an das marokkanische Netz anzuschließen, sind nicht neu. Bereits 2017 hatte ONEE die deutsche Firma Fichtner und die französische Firma RTE International ausgewählt, um die Arbeiten auszuführen. WSRW ist nicht bekannt, was aus diesen Plänen geworden ist.
Siemens Energy ist unter den multinationalen Konzernen, die Berichten zufolge Interesse bekundet haben, Marokko beim Transport von in der besetzten Westsahara erzeugtem Strom in sein Staatsgebiet zu unterstützen.
Das US-Unternehmen GE Vernova scheint andere lukrativen Projekte aufs Spiel zu setzen, wenn es in der besetzten Westsahara für die marokkanische Behörden tätig ist.
Das französische Unternehmen Engie stellt seit 2023 in der besetzten Westsahara Windräder für ein Großprojekt auf, das zur großflächigen Ansiedlung marokkanischer Siedler:innen in dem besetzten Gebiet führen soll. Dies wurde nun vom sahrauischen Parlament verurteilt.