Fischmehl: Daten der Bundesregierung bestätigen umstrittene Importe

Die deutsche Regierung hat Daten über den Handel mit Fischmehl aus Betrieben der besetzten Westsahara veröffentlicht, die zuvor vom Bremer Senat herausgegebene Zahlen bestätigen.

02. Juli 2020

Oben: Neue Daten der Bundesregierung bestätigen, dass Fischmehl nicht nur in Schüttgutfrachtschiffen zum Bremer Holzhafen transportiert wird, sondern auch in Containern ankommt. Dieser Containerzug wurde beim Fabrikgelände von KMP in Bremen beobachtet.

Im Laufe der Jahre 2017-2019 importierte Deutschland 34.711 Tonnen Fischmehl aus der Westsahara, so die am 24. April von der deutschen Regierung veröffentlichten Daten (s. Drucksache 19/18770, S. 74.)

Die Zahlen stimmen mit den Daten, die zuvor vom Bremer Senat mitgeteilt wurden, überein. Western Sahara Resource Watch (WSRW) schrieb 2019, dass der Bremer Senat die Importe von Fischmehl von Januar 2017 bis August 2018 auf 22.026 Tonnen beziffert habe. Dies bedeutet, dass die Importe von August 2018 bis Dezember 2019 die Differenz von 12.685 Tonnen betragen haben müssen, was WSRW auf Grundlage der bekannten Lieferungen nach Deutschland im gleichen Zeitraum als realistische Menge betrachtet.

WSRW schätzt den Gesamtwarenwert für den Zeitraum 2017-2019 auf etwa 40 Millionen Euro. Die kürzlich von der deutschen Regierung veröffentlichten Handelszahlen sind eine Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Katja Keul (Bündnis 90/ die Grünen).

Eine Analyse der völkerrechtlichen Aspekte des Westsaharakonfliktes hat die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis geführt, dass es begründete Verstöße gegen die Vierte Genfer Konvention durch das Königreich Marokko gibt, das als Besatzungsmacht des  Hoheitsgebiets ohne Selbstverwaltung anzusehen ist.

Waren aus Betrieben in der Westsahara werden als marokkanische Waren nach in die EU importiert. Folglich tauchen Importe aus der besetzten Westsahara in der Außenhandelsstatistik Deutschlands nicht als solche auf.

Nach den EU-Bestimmungen müssen Fischereiprodukte von Betrieben stammen, die die EU in separaten Listen in einer speziellen Datenbank für "Non-EU Countries Authorised Establishments" zugelassen hat. Unter Missachtung von Urteilen ihres eigenen Gerichtshofs, wonach die Westsahara nicht in ein Handelsabkommen mit Marokko einbezogen werden kann, erstellt die EU-Kommission weiterhin Listen von zugelassenen Importeuren  für Marokko, auf der Betriebe aufgeführt sind, die ihren Sitz außerhalb Marokkos haben. Die neueste Version dieser Liste finden Sie hier.

Die bestehenden 11 Verarbeitungsbetriebe in der besetzten Westsahara sind - ungeachtet der Gerichtsurteile - unter "Marokko" aufgeführt. Die Anlagen in der Westsahara machen 44% der 28 Unternehmen auf der marokkanischen Liste aus, die alle von den marokkanischen Behörden zertifiziert worden sind.

Diese Praxis ist höchst fragwürdig und trägt dazu bei, die illegale Besetzung durch Marokko aufrechtzuerhalten.

"Mit diesen Importregulierungen sowie den neuen Handels- und Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko handelt die EU als Komplize der Besatzungsmacht Marokko. Die EU verstößt gegen das Völkerrecht sowie gegen ihre eigene Rechtsprechung und erschwert die Bemühungen der UNO, eine Lösung des Konflikts zu finden", erklärte Hamdi Mohamed Salek von Western Sahara Resource Watch Germany.

Auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes schätzt WSRW, dass 2017-2019 etwa 53% der als marokkanisch gekennzeichneten Fischmehlimporte tatsächlich aus der Westsahara stammten.

Alle Importe aus der Westsahara nach Bremen müssen vom Hauptzollamt Bremen zollamtlich überprüft werden. Dies umfasst sowohl die in loser Schüttung nach Bremen eingetroffene Ladung als auch die im Hafen von Bremerhaven angelandeten Container.
Bisher hatte WSRW nur Schiffe in Bremen identifiziert, der Containerverkehr blieb bisher unerkannt.

WSRW hat in den letzten Jahren die Entladung mehrerer Ladungen aus El Aaiun am Terminal der lokalen Importfirma Köster Marine Protein (KMP) dokumentiert. KMP gibt auf seiner Website an, der größte Fischmehlhändler in Europa zu sein und dass Container von Bremerhaven zu seiner Fabrik in Bremen transportiert werden. WSRW hat KMP bei drei Gelegenheiten kontaktiert, aber das Unternehmen hat nie geantwortet.
Die Frente Polisario, die von der UNO anerkannte Vertretung des sahrauischen Volkes, forderte KMP am 28. Mai 2020 auf, alle Fischmehlimporte aus der Westsahara zu stoppen.

Importe von Fischmehl aus der besetzten Westsahara nach Deutschland sind seit Juli 2018 bekannt. Bislang hat der Bremer Senat nicht viel zur Aufklärung beigetragen. Die Bremische Bürgerschaft und die Regierung zeigen seit einigen Jahren eine breite Unterstützung für das Selbstbestimmungsrecht des sahrauischen Volkes. Ein Artikel, der am 30. Mai 2020 in der Tageszeitung taz Nord veröffentlicht wurde, wies auf das Paradoxon hin, dass diese Unterstützung nicht zu Maßnahmen geführt hat, um den umstrittenen Handel zu stoppen.

Ein am 15.06.20 veröffentlichter MDR-Bericht beleuchtet die umstrittene Beziehung zwischen der EU und Marokko bezüglich des Westsaharakonfliktes.

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