WSRW warnt Unternehmen, die als verantwortungsbewusst im Umgang mit Menschenrechten wahrgenommen werden wollen, sich nicht an der Ausschreibung zu beteiligen, die Marokkos illegale Energieprojekte in der Westsahara an das marokkanische Stromnetz anbinden soll.
Mehrere marokkanische Nachrichtenagenturen haben über die Ankündigung des marokkanischen Nationalen Amtes für Elektrizität (ONEE) berichtet, eine 1.400 km lange "Stromautobahn" zu bauen, die den in der besetzten Westsahara erzeugten Strom ins Zentrum Marokkos transportieren soll.
Nach Angaben des Nachrichtenmagazins Le Desk ist dies das erste Mal, dass das ONEE offiziell über derartige Pläne informiert. Konkret plant das ONEE die Errichtung einer Stromtrasse, die bis zu 3 GW aus erneuerbaren Energiequellen zwischen Dakhla und El Aaiún - beide in der besetzten Westsahara - bis nach Casablanca in Marokko transportieren kann. Die Hälfte dieser Kapazität, d. h. 1,5 GW, soll bis 2026 fertig gestellt sein, während die zweite Hälfte 2028 in Betrieb genommen werden soll.
In Kürze wird ein Ausschreibungsverfahren zur Suche eines Betreibers für das Projekt eingeleitet. Dieser Betreiber, bei dem es sich um ein Konsortium handeln kann, soll die umstrittene Stromautobahn im Rahmen eines 30-jährigen Vertrags entwickeln, finanzieren, errichten und betreiben. Eine Aufforderung zur Interessenbekundung wurde eingeleitet, und die Eröffnung der Angebote soll am 31. Januar 2024 erfolgen. Die Vorauswahl der Bewerber wird am 29. Februar bekannt gegeben und die endgültige Auswahl im zweiten Halbjahr 2024 stattfinden. Der Betreiber, der den Zuschlag erhält, muss laut Le Desk eine eigene Gesellschaft nach marokkanischem Recht für das Projekt gründen.
"Dies ist eine höchst beunruhigende Entwicklung", sagt Sara Eyckmans, Koordinatorin von Western Sahara Resource Watch (WSRW). "Jahrelang haben marokkanische Think Tanks und Politiker:innen ihre Absicht bekundet, das erneuerbare Potenzial der Westsahara für den Export nach Marokko und darüber hinaus zu nutzen. Die Aufforderung zur Interessenbekundung am Bau dieser Stromautobahn ist ein Schritt zur Verwirklichung dieses Ziels, der sich nachteilig auf den UN-Friedensprozess auswirken wird. In dem Maße, wie Marokko von seiner illegalen Militärpräsenz in der Westsahara abhängig wird, um seinen eigenen Energiebedarf zu decken, wird es noch weniger geneigt sein, sich auf Gespräche mit den Sahrauis einzulassen, die ihr international anerkanntes Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen wollen. Wir rufen alle Unternehmen auf, sich von dieser Ausschreibung fernzuhalten, die jede Chance auf Frieden in der Westsahara grundlegend gefährdet", sagte Eyckmans.
"Unternehmen, die als verantwortungsbewusst im Umgang mit den Menschenrechten wahrgenommen werden wollen, sollten sich nicht an dieser Ausschreibung beteiligen", warnte Eyckmans.
ONEE hat Berichten zufolge bereits technische Studien für das Projekt abgeschlossen, aus denen hervorgeht, dass sowohl der Transport über HGÜ- (Hochspannungs-Gleichstrom) als auch über HDÜ-Leitungen (Hochspannungs-Wechselstrom) möglich ist. Die Agentur bevorzugt die Verwendung von Masten und Freileitungen, die mehrere Städte miteinander verbinden, und gibt damit einen Hinweis auf den Verlauf der Stromautobahn. Ein erster 400-kV-Kollektor soll in Ouled Lekraa (nördlich von Dakhla) installiert werden. Von dort aus soll die Stromtrasse über El Aaiún, Tan Tan, Agadir, Marrakesch, Chemaia (in der Nähe von Marrakesch) bis zum 400-kV-Umspannwerk in Mediouna, südöstlich von Casablanca, führen.
Marokko hat bereits einige Schritte unternommen, um erneuerbare Energien in der besetzten Westsahara an sein eigenes Stromnetz anzuschließen. Im Jahr 2021 gab das Land bekannt, dass es das französische Ingenieurunternehmen VINCI mit dem Bau einer 400-kV-Übertragungsleitung zwischen El Aaiún und Hagounia, einem Ort südlich der Grenze zwischen Marokko und der besetzten Westsahara, beauftragt hat. Dieses Projekt war Teil eines größeren Vorhabens, das den Bau von Hochspannungsleitungen zwischen El Aaiún und Agadir in Marokko zum Ziel hatte. Marokko hatte bei der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) eine Finanzierung für einen Teil der Strecke beantragt, der Hagounia einschloss. Die AfDB stellte später klar, dass sie nur den Teil der Strecke finanziert hatte, der nördlich der Grenze liegt, und fügte hinzu, dass "die offizielle Praxis der Bank darin besteht, dass sie wissentlich oder bewusst keine Projekte auf dem Gebiet der Westsahara finanziert."
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