HDF benutzt Marokko-Lobbyist um kontroverses Engagement zu verteidigen
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Noch nie haben wir auf ein Schreiben eine Antwort erhalten, in der die Besatzung der Westsahara so vehement politisch propagiert wurde, wie die einer französischen Anwaltskanzlei im Namen des Unternehmens HDF Energy. 

09. Februar 2024

Im November 2023 gab das französische Wasserstoff-Unternehmen Hydrogène de France (HDF Energy) bekannt, dass er sich mit dem marokkanischen Unternehmen Falcon Capital Dakhla zusammengetan hat, um in Dakhla in der besetzten Westsahara eine 8-GW-Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff zu errichten.

Das Schreiben von Western Sahara Resource Watch an das börsennotierte Unternehmen, in dem Bedenken und Fragen zu den rechtlichen Aspekten der Tätigkeit in einem Hoheitsgebiet ohne Selbstverwaltung durch ein Besatzungsregime geäußert wurden, wurde nicht von HDF Energy selbst, sondern von einem Anwalt der Pariser Anwaltskanzlei Michel Ladoux & Associates beantwortet.

So ungewöhnlich das auch sein mag - Anfragen werden in der Regel von den Unternehmen selbst beantwortet -, der Inhalt der Antwort ist vielleicht noch verblüffender: Die Antwort des Anwalts enthält kein einziges rechtliches Element. Stattdessen handelt es sich um eine Collage politischer Behauptungen, die typisch für marokkanische Beamt:innen sind, um den unhaltbaren Anspruch ihres Staates auf das südliche Nachbarland zu verteidigen. Der Brief ist die spektakulärste Art Apologetik für die Besatzung, die WSRW in über 20 Jahren Firmenkorrespondenz gesehen hat.

  • Der Anwalt bezeichnet das Gebiet kein einziges Mal als "Westsahara", sondern als "marokkanische Sahara" oder "Sahara";
  • Das Schreiben verweist unablässig auf den marokkanischen Autonomievorschlag, aber nie als eine der Optionen, unter denen die Sahrauis frei wählen können. Tatsächlich wird der gesamte Aspekt der Selbstbestimmung nirgends erwähnt;
  • Die internationalen Gerichtsverfahren, die das Recht der Sahrauis auf Selbstbestimmung unterstreichen, werden als "einseitige Prozessführung" bezeichnet;
  • Es wird ein klassisches marokkanisches Propagandanarrativ reproduziert, wonach die Menschen, die nach der marokkanischen Invasion aus dem Gebiet geflohen sind, heute gegen ihren Willen in Geflüchtetencamps in Algerien festgehalten, "entführt" oder "beschlagnahmt" werden;
  • WSRW und anderen internationalen Organisationen wird vorgeworfen, den Status quo aufrechtzuerhalten, "die Zukunft der entführten Bevölkerung" zu gefährden und "den Wohlstand und die Stabilität der Sahelzone" aufs Spiel zu setzen.

Den erstaunlichen Brief finden Sie hier in voller Länge. 

"Nachdem ich die Region mehrmals besucht habe und erst vor wenigen Tagen im Rahmen einer Debatte über Frieden und interreligiöse Toleranz in Smara war, versichere ich Ihnen, dass Ihre rechtlichen Erwägungen kein Echo finden, weder bei den gewählten Vertreter:innen, noch bei den Honoratior:innen, noch bei der Bevölkerung insgesamt", schreibt der Anwalt.

Eine einfache Online-Recherche bestätigt, dass der Rechtsanwalt Hubert Seillan das Gebiet mehrfach besucht hat. Er ist in der Tat einer der größten Befürworter Marokkos. Seillan ist der Gründer der "Fondation France-Maroc Paix et Développement Durable", einer Vereinigung, die angeblich französischem Recht unterliegt, deren Satzung jedoch im September 2017 in El Aaiún in der besetzten Westsahara in Anwesenheit marokkanischer Staatsdienenden feierlich unterzeichnet wurde. Die Stiftung, deren Ziel es ist, "die marokkanische Sahara zum Hauptziel ihrer Aktionen zu machen", vereint angeblich französische und marokkanische Unternehmen mit dem Ziel, faktisch Investitionen in der besetzten Westsahara anzuziehen.   

In einem Interview über seine Stiftung im Oktober 2017 wurde Seillan mit den Worten zitiert, seine Stiftung sei "aus einem Gefühl der Ungerechtigkeit entstanden, das ich in Bezug auf die internationale Position zur marokkanischen Sahara immer empfunden habe." 

Erst im vergangenen Jahr veröffentlichte Seillan ein Buch mit dem Titel "Le Sahara marocain: l'espace et le temps" ("Die marokkanische Sahara: Raum und Zeit"). Das Buch wurde in einer Feierstunde in El Aaiún vorgestellt

Es war nicht sein erstes Buch, in dem er seine Position in diesem Konflikt darlegte. Im Jahr 2019 veröffentlichte Seillan "Le politique contre le droit - Le Sahara, les droits de l'homme et le procès de Gdim Izik", in dem er den Prozess von Gdeim Izik gegen sahrauische Menschenrechtsaktivisten, die zu harten Strafen bis hin zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, als "beispielhaft" bezeichnet. Seillan war nicht der Einzige, der in diesem emblematischen Fall inhaftierter sahrauischer Aktivisten Stellung bezog, sondern wurde auch von belgischen Anwält:innen unterstützt, die aktiv marokkanische Interessen verteidigten, wie der belgische Sender RTBF kürzlich berichtete. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen hat Marokko jedoch aufgefordert, diese politischen Gefangenen unverzüglich freizulassen

Zahlreiche Artikel marokkanischer Medien dokumentieren die Teilnahme von Herrn Seillan an Seminaren und Konferenzen - in Frankreich, Marokko und der besetzten Westsahara -, bei denen er stets die marokkanische Position in dem Konflikt verteidigt. Er hat die marokkanische Sichtweise im Ausschuss für Entkolonialisierung der UN-Generalversammlung vertreten.

Er hat an mehreren Delegationen in das Gebiet teilgenommen, die in den meisten Fällen organisiert wurden, um französische Unternehmen davon zu überzeugen, sich in der letzten Kolonie Afrikas niederzulassen.

"Die demokratische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Entwicklung der marokkanischen Sahara wird von der Weltgesellschaft als ein Faktor des Friedens anerkannt. Ich lade Sie ein, dorthin zu gehen, zu beobachten, zu analysieren und zu bewerten. Sie werden dann von der sehr theoretischen und künstlichen Natur Ihrer Bemerkungen überzeugt sein", schrieb er an WSRW.

Seillans Möglichkeit, die Westsahara zu besuchen, steht in krassem Gegensatz zu der unabhängiger Medien, internationaler Nichtregierungsorganisationen, Politiker:innen, die bei ihren Besuchen in dem Gebiet ihre eigene Agenda verfolgen, oder sogar der Vereinten Nationen. Im Jahr 2023 beklagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, dass sein Amt die Westsahara in den vergangenen acht Jahren nicht besuchen durfte. 

"Die Tatsache, dass HDF Energy einen solchen öffentlichen Aktivisten einsetzt, um auf ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihres Vertrags in der Westsahara und der Rechte der Sahrauis zu reagieren, beschert HDF Energy eine besondere Stellung in der Gruppe der Unternehmen, die derzeit für Marokko in der Westsahara arbeiten", erklärte Western Sahara Resource Watch in einem Folgebrief an HDF Energy am 11. Januar 2024. Das Schreiben wurde nicht beantwortet.

Am 11. Januar 2024 schrieb WSRW an Michel Ladoux & Associates und fragte, ob die in dem Schreiben geäußerten Meinungen von der Kanzlei selbst stammen oder nur von dem Anwalt. In demselben Schreiben erkundigte sich WSRW, wie die Kanzlei mit dem ethischen Verhalten von Anwält:innen umgeht und wie sie angesichts des sehr unausgewogenen, politischen und öffentlichen Engagements des Anwalts, das die Position der marokkanischen Regierung widerspiegelt, die Verantwortung gegenüber ihrem Mandanten HDF Energy wahrnimmt. Auf das Schreiben wurde nicht geantwortet.

 

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