Nach Schließung des Suez-Kanals nimmt Marokko stillgelegte Route wieder auf
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Marokko hat sechs Jahre lang vermieden, den Phosphatexport mit Schiffsrouten über Südafrika abzuwickeln, dessen Gerichte die Phosphatplünderung in der besetzten Westsahara für illegal erklärt hatten. Der erste Test für die Neuaufnahme der Route findet jetzt wegen der Blockade der Route über den Suezkanal statt.

28. Dezember 2023
Grafik von VesselFinder vom 23. Dezember 2023, die die Kehrtwendung von Teal Bulker (IMO 9668908) zeigt (Download hier). Das Schiff kann auf der Website von MarineTraffic verfolgt werden. Siehe weitere Grafiken unten. 

In den letzten Wochen herrschte Panik im Transportsektor, da Raketenangriffe den zivilen Verkehr durch das Rote Meer bedrohten. Zu den angegriffenen Schiffen gehört auch ein Chemikalientanker, der Phosphorsäure aus einem marokkanischen Hafen transportierte

Einige Reedereien haben angekündigt, dass sie ihre Schiffe beim Transport von Waren zwischen Europa und Asien die lange, südliche Route um den afrikanischen Kontinent herum fahren lassen.

Um Mitternacht zwischen dem 22. und 23. Dezember fand nun auch die erste Umleitung eines Schiffes mit Konfliktmineralien aus der besetzten Westsahara statt. 

In diesem Moment machte der Schüttgutfrachter Teal Bulker, der nördlich von Libyen in Richtung Osten unterwegs war, eine scharfe Kehrtwende. WSRW hat ein ähnliches Manöver noch nie gesehen und schließt daraus, dass es mit den Risiken im Zusammenhang mit der Durchfahrt durch das Rote Meer zu tun haben muss. 

Das unter der Flagge Panamas fahrende Schiff hatte den Hafen von El Aaiún in den besetzten Gebieten am 16. Dezember mit Phosphatgestein verlassen und war seitdem auf dem Weg zum Suezkanal. Nach der Kehrtwende änderte es sein Ziel auf Las Palmas, wo es voraussichtlich am 30. Dezember eintreffen wird. 

Oben: WSRW erhielt Bilder des Schiffes, als es im Begriff war, die umstrittene, von der marokkanischen Staatsfirma OCP aus den besetzten Gebieten exportierte Fracht zu laden. Das Video wurde Anfang Dezember aufgenommen.

 

WSRW geht davon aus, dass die Teal Bulker in Las Palmas auftanken wird, um die Reise nach Asien ohne Zwischenstopp fortzusetzen. Damit wird es die erste Phosphatladung sein, die seit April 2017 um das Kap herum fährt.

Die Umleitung von Schiffen nach Asien über Südafrika ist jedoch genau das, was Marokko anscheinend zu vermeiden versucht hat.

Die marokkanische Ausfuhr von Phosphaten aus der besetzten Westsahara verstößt gegen das Völkerrecht und wurde vom Obersten Gerichtshof Südafrikas für illegal erklärt. 

Seit dem der Schüttgutfrachter NM Cherry Blossom am 1. Mai 2017 in Südafrika festgehalten wurde, hat jede einzelne Lieferung Phosphatgestein aus der besetzten Westsahara nach Asien die Suez-Route genommen.

Der Oberste Gerichtshof Südafrikas entschied 2018, dass die Ladung an Bord der NM Cherry Blossom - 50.000 Tonnen Phosphatgestein aus der besetzten Westsahara - von der staatlichen marokkanischen Phosphatgesellschaft OCP illegal abgebaut und exportiert wurde. Nach einem 370-tägigen Arrest in Port Elizabeth wurde das Schiff freigelassen, nachdem es dem Charterer laut Gerichtsdokumenten rund 10.000 Dollar an täglichen Kosten verursacht hatte. Da OCP in den Jahren 2017-2018 an dem Rechtsstreit in Südafrika beteiligt war, ist das Unternehmen mit den rechtlichen und finanziellen Risiken dieser Route bestens vertraut.

Western Sahara Resource Watch (WSRW) überwacht täglich die Verschiffung von Waren aus der Westsahara und hat seit Mai 2017 kein einziges Schiff auf der Südroute um das Kap der Guten Hoffnung beobachtet. Ein Kühltransporter, der gefrorenen Fisch aus dem Gebiet transportierte, entging 2019 nur knapp einer Verhaftung in Südafrika, indem er beim Einlaufen in den Hafen von Kapstadt wendete und so einem internationalen Haftbefehl entging.

Die asiatischen Rohstoffimporte sind nicht unbedeutend. Eine in Indien ansässige Tochtergesellschaft des marokkanischen Staatsunternehmens OCP, Paradeep Phosphates Limited (PPL), war in den letzten Jahren einer der größten Importeure von Phosphatgestein aus der besetzten Westsahara. 

Der Handel mit sahrauischen Phosphat nach Indien hat erst 2016 richtig begonnen. Seitdem landen zwischen 18 und 64 Prozent des jährlich aus der Mine Bou Craa in der Westsahara exportierten Gesteins in der Paradeep-Fabrik in Indien. 

Die Festnahme von Schiffen in Südafrika - und in Panama - im Jahr 2017, die von der Sahrauis initiiert wurde, führte zu einer gravierenden Veränderung im Handelsmuster des Rohstoffs. Die Ausfuhren in bestimmte Länder wurden gestoppt, während der gesamte Handel über Panama und Südafrika abrupt und vollständig eingestellt wurde. Nach der Festnahme der NM Cherry Blossom im Mai 2017 dauerte es ganze sechs Monate, bis das erste Schiff nach Asien abfuhr – über den Suezkanal. Von Oktober 2017 bis zum Ende des Kalenderjahres fuhren vier Schiffe, die sahrauisches Phosphat transportierten, durch den Suezkanal. Schiffe, die über Panama nach Neuseeland fuhren, nehmen seitdem die Route über die Magellanstraße in Chile.

WSRWs tägliche Überwachung des Schiffsverkehrs in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 zeigt, dass seit der Festnahme der NM Cherry Blossom insgesamt 61 Schiffe von der besetzten Westsahara nach Asien gefahren sind. 

Sie fuhren alle über den Suezkanal.

Die absolute Mehrheit, nämlich 51 der 61 Schiffe, fuhren nach Indien, 2 auf die Philippinen, 6 nach China und 2 nach Japan. 

Dies steht in krassem Gegensatz zur Verschiffungspraxis aus der Zeit vor dem Arrest der Cherry Blossom, als Transporte nach Asien über Südafrika sehr viel häufiger waren. Die beiden Schiffe, die 2017 vor der Verhaftung von der Westsahara nach Asien fuhren - die Spar Lyra im Februar und die GH Northern Dancer im April - fuhren beide durch die Gewässer vor der Küste Südafrikas. 

Um die Teal Bulker-Saga in dieser Woche noch komplexer zu machen: das Schiff liegt sehr tief im Wasser - 12,9 Meter. Von allen Häfen, von denen derzeit bekannt ist, dass sie die gestohlene Ware annehmen, ist der Hafen von Paradip in Indien höchstwahrscheinlich der einzige, der ein so tiefes Schiff aufnehmen kann. 

Im mexikanischen Hafen Coatzacoalcos, der in den letzten zwei Jahren der wichtigste Importhafen für sahrauisches Phosphatgestein war, kann das Schiff höchstwahrscheinlich nicht löschen. Die Schiffe mit dem größten Tiefgang, die in Coatzacoalcos ankamen, lagen in der Regel etwa 11,8 Meter tief. Die tiefste Ladung, die WSRW im tiefsten Hafen Neuseelands in Tauranga - beobachtet hat, beträgt 12,8 Meter.

Der Handel über Südafrika war vor den Festnahmen von Schiffen in Südafrika und Panama im Jahr 2017 normal. Diese WSRW-Karte veranschaulicht die Phosphattransporte von 2016, dem Jahr vor den Festnahmen.

Es ist nicht klar, wer das Importunternehmen der Ladung der Teal Bulker ist, aber in Anbetracht des Handelstrends ist es höchstwahrscheinlich Paradeep. 

Aus einem von Paradeep Phosphates Limited (PPL) im Jahr 2021 eingereichten Prospekt (Download hier) geht hervor, dass das indische Unternehmen am 1. Januar 2021 einen langfristigen Liefervertrag mit OCP über die Beschaffung des - wie es heißt - wertmäßig wichtigsten Rohstoffs, Phosphatgestein, abgeschlossen hat. Der Vertrag hat eine Laufzeit von drei Jahren, die am 31. Dezember 2023 endet, und kann automatisch um jeweils zwei Jahre verlängert werden. 

WSRW hat sich seit 2015 mehrfach an das Importunternehmen in Indien, PPL, gewandt, ohne jemals eine Antwort zu erhalten. 

Die Teal Bulker wird von der japanischen Firma First Marine Service Co. verwaltet und ist über die Firma Diamond Griffin S.A. registriert.

Die Westsahara ist kein Teil Marokkos, und als solcher hat Marokko keine Erlaubnis, die Ressourcen aus dem von ihm besetzten Gebiet zu exportieren.

Grafik von VesselFinder, die die Kehrtwendung der Teal Bulker um Mitternacht zwischen dem 22. und 23. Dezember 2023 zeigt. Download hier.
Grafik von VesselFinder der Teal Bulker, 23. Dezember 2023. Download hier.

 

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