Siemens Energy wird in Bezug auf die Westsahara nur mit der marokkanischen Regierung in Kontakt treten, teilte das Unternehmen jüngst mit
"Siemens Gamesa Renewable Energy hat keine Gespräche mit politischen Vertretern außerhalb der Regierung geführt. Es ist nicht die Aufgabe von SGRE, sich in politische Debatten einzumischen und politische Zustimmung für das Windparkprojekt zu suchen", erklärte der Vorstand der Siemens Energy AG auf der Hauptversammlung am 10. Februar 2021.
Siemens Energy hält 67% der Anteile an Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE), dem Hersteller der Windkraftanlagen der zwei operativen und mehrerer zusätzlich geplanter Windparks, die von der marokkanischen Regierung in der besetzten Westsahara errichtet werden. Die beiden in Betrieb befindlichen Windparks, Foum el Oued und Aftissat, beliefern industrielle Endverbraucher, wie z.B. Phosboucraa, die Tochtergesellschaft des marokkanischen Staatsunternehmens OCP, welche die Phosphatreserven des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung illegal ausbeutet. Im September 2020 gab das Unternehmen eine Pressemitteilung zum Erhalt des Vertrags für den 300-MW-Windpark Boujdour heraus, der darin als "im Süden Marokkos" befindlich dargestellt wird. Boujdour ist jedoch eine Stadt an der zentralen Küste der Westsahara.
Erst vor einem Monat wurden sowohl Siemens Gamesa als auch Siemens Energy von Norwegens größtem privaten Vermögensverwaltung ausgeschlossen, weil sie zu Verstößen gegen internationales Recht in der besetzten Westsahara beitragen.
Seit Jahren vermeiden es verschiedene Teile des übergeordneten Siemens-Mutterkonzerns, die mit den Windparks in der besetzten Westsahara in Verbindung stehen, zu beantworten, ob das Volk der Westsahara seine Zustimmung zur Beteiligung von Siemens am Bau von Energieinfrastruktur in der Westsahara gegeben hat. Stattdessen argumentiert Siemens, dass seine Projekte der lokalen "Bevölkerung" in dem Gebiet "zugute kommen" würde und klammert damit die dabei rechtlich entscheidende Frage, ob das Volk des Territoriums die Projekte tatsächlich möchte, aus.
WSRW schickte am 18. Februar einen Brief an Siemens Energy, in dem um weitere Klarstellungen zu Aussagen gebeten wird, die während der jüngsten Hauptversammlung gemacht wurden.
"Wenn Sie behaupten, dass SGRE keine Gespräche ‚außerhalb der Regierung‘ geführt hat, bezieht sich das auf die Regierung Marokkos?", heißt es in dem Brief.
"In Anbetracht der Tatsache, dass der Gerichtshof der EU die Westsahara und Marokko ausdrücklich als 'gesonderte und unterschiedliche' Territorien bezeichnet, und in Anbetracht der Tatsache, dass Marokkos Ansprüche auf das Gebiet vom Internationalen Gerichtshof und der internationalen Gemeinschaft zurückgewiesen wurden, warum sollte Ihr Unternehmen politische Vertreter:innen, die Teil der marokkanischen Regierungsstruktur sind, als repräsentativ für die Westsahara ansehen? Im Hinblick auf den letzten Satz Ihrer Aussage: Ist damit impliziert, dass SGRE es nicht für notwendig hält, die Zustimmung des Volkes der Westsahara für Aktivitäten in dem Territorium einzuholen?"
Die Frage der Zustimmung ist ein Schlüsselelement, das sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes der Westsahara ergibt, wie es vom Internationalen Gerichtshof festgeschrieben und von der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird. In den letzten Jahren kam der EU-Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Westsahara nicht Teil Marokkos ist, dass letzteres kein Mandat hat, das Gebiet zu verwalten, und dass angesichts des gesonderten und unterschiedlichen Status der Westsahara die Zustimmung des Volkes des Territoriums erforderlich ist, um Abkommen der EU mit Marokko auf die Westsahara anzuwenden.
"Siemens Energy und Siemens Gamesa nehmen grundsätzlich keine Stellung zu Fragen des internationalen öffentlichen Rechts", erwidert das Unternehmen, wenn immer rechtliche Bedenken geäußert werden. Das Unternehmen erklärte auf der Hauptversammlung, dass "diese Situation einer politischen Lösung bedarf, an der Regierungen und nicht Unternehmen beteiligt sind".
"Es ist offensichtlich, dass die Lösung des Westsahara-Konflikts durch Regierungen erreicht werden muss. Wir denken, dass niemand von Siemens Energy verlangt oder erwartet, den Konflikt zu lösen. Unser einziger Appell an Ihr Unternehmen ist, die Bemühungen der UN um eine Lösung, die das Recht auf Selbstbestimmung vorsieht, nicht zu untergraben", schrieb WSRW in dem Brief an das Unternehmen.
"Wir finden es bemerkenswert, dass ein in der EU ansässiges Unternehmen die Argumentation des höchsten EU-Gerichthofs nicht als relevant für seine Tätigkeit ansieht. Unserer Ansicht nach kann Siemens Energy nicht einfach die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die Westsahara nicht Teil von Marokko ist. Ihr Unternehmen trägt direkt dazu bei, dass es unwahrscheinlicher wird, dass Marokko sich für eine Lösung des Konflikts im Einklang mit den UN-Resolutionen einsetzt", heißt es in dem Brief.
WSRW forderte Siemens Gamesa auf, den jüngsten Entscheidungen von Continental und Epiroc zu folgen. Beide Unternehmen haben ihre Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Staatsunternehmen OCP beim Export von konfliktbehafteten Phosphatmineralien aus dem Territorium beendet, während Siemens Gamesa weiterhin daran beteiligt ist.
Eine von WSRW angefertigte Mitschrift der Erklärung von Siemens Energy auf der Hauptversammlung kann hier abgerufen werden. Der vom Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre bei der Hauptversammlung eingereichte Gegenantrag findet sich hier.
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Der Export von Phosphatgestein aus der besetzten Westsahara war noch nie geringer als 2019. Dies geht aus dem neuen WSRW-Bericht P for Plunder hervor, der heute veröffentlicht wurde.
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