Das schweizerisch-russische Unternehmen EuroChem stand höchstwahrscheinlich hinter einer umstrittenen Einfuhr von Konfliktmineralien nach Estland im Oktober.
Western Sahara Resource Watch (WSRW) war Zeuge, als das Frachtschiff Nazenin am 18. Oktober 2021 im estnischen Hafen Sillamäe Phosphat aus der besetzten Westsahara entlud. Das Gestein ist auf den Fotos unten in Form von gelben Stapeln zu sehen, die im Hafen liegen.
Der Vorfall ist das erste Mal seit Oktober 2016, als eine Ladung des Konfliktminerals in den litauischen Hafen Klaipeda verschifft wurde, dass eine Phosphatladung in Europa ankommt. Hinter beiden Vorfällen steckt offenbar dasselbe Unternehmen. Es handelt sich um die erste bekannte Ausfuhr von Konfliktmineralien aus der besetzten Westsahara nach Estland, die jemals verzeichnet wurde.
EuroChem ist ein Unternehmen in russischem Besitz mit Hauptsitz in Zug, Schweiz, und Produktionsstätten in mehreren Ländern. Ihre Tochtergesellschaft in Litauen - Lifosa - importierte jahrzehntelang Mineralien aus der Westsahara, bis der Handel 2016 eingestellt wurde.
EuroChem schrieb damals, dass "die Erhöhung der Selbstversorgung der Gruppe mit Phosphatgestein sowohl aus strategischen als auch aus sozialen Erwägungen eine Priorität darstellt" und dass "wir Ihnen, was wahrscheinlich für Western Sahara Resource Watch von Interesse ist, mitteilen können, dass [...] die Gruppe nicht beabsichtigt, 2016 oder zu irgendeinem Zeitpunkt in absehbarer Zukunft Phosphatgestein aus der Westsahara zu kaufen".
Der neue Transport steht jedoch im Widerspruch zu dieser Aussage.
Letztes Jahr eröffnete EuroChem sein brandneues, 70 Millionen Euro teures Hafenterminal in Sillamäe, Estland. WSRW hat EuroChem am 13. Oktober, 21. Oktober und 25. Oktober kontaktiert, aber keine Antwort erhalten.
WSRW beobachtete, wie das Phosphat auf bereitstehende Lastwagen umgeladen wurde, die zwischen demDemo Schiff und der EuroChem-Anlage pendelten. Die estnische Nachrichtenseite Delfi berichtete gestern über die Importe.
In einem Telefongespräch mit estnischen Medien bestätigte ein örtlicher Mitarbeiter von EuroChem, dass der Transport von Nazenin bei EuroChem angekommen sei. Das Unternehmen ignorierte jedoch die weiteren Fragen des Journalisten, obwohl es versprochen hatte, sie zu beantworten.
EuroChem verfügt nicht nur über eine Düngemittelfabrik im Hafen von Sillamäe, sondern auch über eine Logistikanbindung per Bahn oder LKW nach Europa und Russland.
Die Nazenin ist ein unter der Flagge der Marshallinseln fahrendes Schiff mit einer maximalen Zuladung von 33.663 Tonnen. Die Ladung verließ das Phosphat-Terminal in der besetzten Westsahara am 5. Oktober 2021. EuroChem ist im Besitz des russischen Milliardärs Andrey Melnichenko.
Der Export von Phosphatgestein aus der besetzten Westsahara war noch nie geringer als 2019. Dies geht aus dem neuen WSRW-Bericht P for Plunder hervor, der heute veröffentlicht wurde.
WSRW veröffentlicht heute seinen aktualisierten Übersichtsbericht aller Käufer, die im vorherigen Jahr Phosphatgestein aus der Westsahara gekauft haben. In dem Bericht werden die Mengen, die Erlöse sowie die Verschiffungen im Auftrag der marokkanischen Besatzungsverwaltung aus der besetzten Westsahara für 2014 genannt.
WSRW stellt heute zum ersten Mal einen umfassenden Bericht über die marokkanischen Phosphatgestein-Exporte aus der besetzten Westsahara der Öffentlichkeit vor und benennt darin konkret die Anwerbungen von Abnehmern, Umfänge, Verkaufserlöse und Abtransporte.
Die litauische Firma Lifosa verweigerte die Antwort auf die konkrete Frage: „Sind Sie bereit, auf Einfuhren von Phosphaten aus der besetzten Westsahara zu verzichten?“ Daraufhin haben die Vereinten Nationen dieses Unternehmen aus ihrem “Global Compact“ ausgeschlossen. Der „Global Compact“ ist eine Initiative der Vereinten Nationen, sich an Privatfirmen richtet, die bereit sind, bestimmte soziale und ökologische Mindeststandards einzuhalten.
Photo: Eurochem.ru