Die EU-Kommission hat klargestellt, dass kein EU-Luftverkehrsabkommen die Westsahara mit einschließt und dass sie nicht beabsichtigt, sie in das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und Marokko aufzunehmen. Dennoch bieten einige Fluggesellschaften aus der EU immer noch Flüge in das Gebiet an, das zur Zeit praktisch ein Kriegsgebiet ist.
Laut der Europäischen Kommission sind "keine Verhandlungen vorgesehen, um die Westsahara in ein Luftverkehrsabkommen einzubeziehen".
Dies wird in einem Schreiben der Kommission klargestellt, das Western Sahara Resource Watch (WSRW) kürzlich erhalten hat. Das Schreiben wurde von der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der Kommission am 6. März 2020 an den irischen Europaabgeordneten Ciarán Cuffe geschickt.
Die Klarstellung erfolgte vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 30. November 2018, das die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen der EU und Marokko auf die Westsahara für nichtig erklärt hatte. Das Urteil legte fest, dass das Territorium Marokkos so zu verstehen sei, "dass es sich auf das geographische Gebiet bezieht, über das das Königreich Marokko sämtliche Hoheitsrechte innehat, die souveränen Rechtssubjekten durch das Völkerrecht gewährt werden, unter Ausschluss jedes anderen Territoriums wie dem der Westsahara". Der Gerichtshof fügte hinzu, dass eine Einbeziehung der Westsahara gegen die Regeln des Völkerrechts verstöße, "insbesondere gegen das in Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen erwähnte Prinzip der Selbstbestimmung und den Grundsatz der relativen Wirkung der Verträge" (Art. 27). "Die Europäische Union kann die Absicht des Königreichs Marokko, das besagte Territorium in den Geltungsbereich des Abkommens einzubeziehen, nicht rechtsgültig teilen" (Art. 33).
Die Westsahara ist somit von keinem Luftverkehrsabkommen der EU erfasst. Es gibt keinen rechtlichen Rahmen für die Regelung der kommerziellen Flughafendienste zwischen der EU und der letzten Kolonie Afrikas. Unternehmen wie Transavia, Air France und Binter, die eine Fluglinie in die besetzte Westsahara betreiben, tun dies in einem rechtlichen Vakuum.
Die EU-Kommission ist sich bewusst, dass dies für Passagiere und Besatzung in Bezug auf Versicherung und Sicherheit höchst beunruhigend ist. Sie stellt fest, dass das CJEU-Urteil "klargestellt hat, dass die Definition des Territoriums, das im EU Mittelmeer-Luftverkehrsabkommen enthalten ist, die Westsahara nicht abdeckt. Daher muss jede Fluggesellschaft, die von einem EU-Mitgliedstaat zugelassen ist, die EU-Vorschriften insbesondere in Bezug auf die Sicherheit ihres Flugbetriebs, die Zulassung ihrer Besatzung und die Wartung ihrer Flugzeuge einhalten, und zwar unabhängig von dem Gebiet, in dem die Fluggesellschaft tätig ist. Die Mitgliedstaaten sind sich dieser Anordnung wohl bewusst".
WSRW stellte fest, dass Air France, Transavia und Binter trotzdem weiterhin Flüge in das Territorium anbieten. Hinzu kommt, dass vor fünf Tagen in der Westsahara ein Krieg ausgebrochen ist. Am Freitag, dem 13. November, beendete die militärische Intervention Marokkos den drei Jahrzehnte alten Waffenstillstand in der Westsahara. Gegenwärtig kommt es in verschiedenen Teilen des Gebiets zu Zusammenstößen.
Der Standpunkt der Kommission, das Abkommen nicht neu zu verhandeln, ist bedeutsam, da sie sowohl im Fall des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko als auch im Fall des Fischereiabkommens Neuverhandlungen mit Marokko aufgenommen hatte, um einen spezifischen Verweis auf die Westsahara in den territorialen Geltungsbereich der Abkommen aufzunehmen. Die Kommission bemerkte in dem Schreiben an MdEP Cuffe, dass die Entscheidung des Gerichtshofs über das Luftverkehrsabkommen nicht erneuert wird, "wie dies im Fall der landwirtschaftlichen Produkte und der Fischerei geschehen ist, die vor dem Gericht anhängig sind".
Der EU-Gerichtshof hatte die Anwendung der Handels- und Fischereiabkommen in der Westsahara für nichtig erklärt und argumentiert, dass Marokko keine Souveränität über das Territorium verfüge, welches einen "gesonderten und unterschiedlichen" Status von jedem Land der Welt, einschließlich Marokko, habe. Der Gerichtshof stellte fest, dass das Volk der Westsahara als eine dritte Partei in den Beziehungen der EU zu Marokko zu betrachten sei und seine Zustimmung geben müsse, damit ein solches Abkommen ihr Land rechtmäßig einschließt. Angesichts der Argumente des Gerichtshofs ist es zweifelhaft, ob die bloße Aufnahme eines raschen Verweises auf das Gebiet in den territorialen Geltungsbereich der Abkommen mit Marokko ohne Zustimmung der Sahrauis vor Gericht, wo die Fälle nun wieder anhängig sind, standhalten wird,.
Es ist unklar, warum der Ansatz der EU in Bezug auf das Gerichtsurteil zum Luftverkehrsabkommen so deutlich von ihrer Reaktion auf die Urteile des Gerichtshofs zum Handels- und Fischereiabkommen abweicht. In den beiden letztgenannten Fällen hat sich die EU dafür entschieden, die Abkommen mit Marokko neu auszuhandeln, um die Westsahara ausdrücklich in den territorialen Geltungsbereich einzubeziehen. Im Rahmen des Luftfahrtabkommens akzeptiert sie nun im Wesentlichen das Urteil. Ein Grund mag darin liegen, dass ein Luftverkehrsabkommen ein gemischtes Abkommen ist, d.h. es berührt Kompetenzen, die ausschließlich der EU und welche, die ausschließlich den Mitgliedstaaten zustehen. Eine Änderung eines solchen Abkommens müsste dann nicht nur einen Ratifizierungsprozess in den EU-Institutionen durchlaufen - was für das Handels- und Fischereiabkommen ausreichend war -, sondern auch in jedem der EU-Mitgliedstaaten. Ist zu erwarten, dass einige Mitgliedstaaten eine Ausweitung auf die besetzte Westsahara nicht ratifizieren würden?
Letzte Woche sollte (*) das Europäische Parlament über eine Änderung des Luftverkehrsabkommens zwischen der EU und Marokko abstimmen - ohne jegliche Klarstellung der EU-Kommission, wie der Vorschlag mit dem Urteil des EU-Gerichtshofs von 2018 in Einklang steht, das die Anwendung eben dieses Abkommens auf die Westsahara für ungültig erklärt.
(*) Das Europäische Parlament hat alle für den 10. März geplanten Abstimmungen aufgrund der COVID-19-Krise auf ein späteres Datum verschoben.
Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, in drei Parlamentsausschüssen Debatten über den Ausschluss der Westsahara aus den Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko zu führen.
Der von Erasmus+ finanzierte Jugendaustausch, der in Dakhla in der besetzten Westsahara stattfinden sollte, wird Berichten zufolge an einem anderen Ort stattfinden.
Im Rahmen eines vom Erasmus+-Programm der EU-Kommission geförderten Projekts sollen europäische Jugendliche nach "Nordafrika" geschickt werden - allerdings ohne sie darüber zu informieren, dass sie dadurch die illegale Besatzung der Westsahara zu normalisieren.