Aus bisher unveröffentlichten Verträglichkeitsstudien von Engie zu seinen Projekten in der Westsahara geht hervor, dass das Unternehmen die Bemühungen der Vereinten Nationen zur Lösung des Konflikts komplett missachtet.
"Großartige Neuigkeiten für unsere Dakhla Wind Energy Company (DAWEC) in #Marokko", schrieb das französische Unternehmen ENGIE am 11. August 2023 auf LinkedIn.
Da das Unternehmen 72 MW Windkraft für eine Entsalzungsanlage aufstellt, verkündete es, dass es "Marokko hilft, den Wasserstress zu reduzieren und CO2-Neutralität zu erreichen".
Was dabei überhaupt nicht vom Unternehmen erwähnt wird, ist der Fakt, dass dieses Entsalzungsprogramm in Dakhla gar nicht in Marokko, sondern in der besetzten Westsahara verortet ist.
In demselben Social-Media-Post kündigte das Unternehmen an, dass eine Lieferung Windräder unterwegs sei, die von Envision Energy in China geliefert werde. Western Sahara Resource Watch (WSRW) veröffentlichte am 15. September 2023 Bilder von der Ankunft des ersten Schiffes mit den Windrädern beim Zwischenstopp auf Teneriffa. Von dort werden sie in das besetzte Gebiet verschifft, wo das erste Schiff am 25. September eintraf.
Aus dem Engie-Post geht auch hervor, dass die Fundamente für die Windräder bereits fertiggestellt wurden. Dies kann durch aktuelle Satellitenbilder von Google bestätigt werden, die den Standort 130 Kilometer nördlich von Dakhla zeigen.
WSRW hat eine Reihe von Fragen an Engie gestellt, die bisher noch nicht beantwortet wurden. Die Hauptfrage ist, warum Engie glaubt, das Recht zu haben, mit Marokko Verträge für eine Entsalzungsanlage in der Westsahara abzuschließen. Marokko hat kein rechtliches Mandat, sich in dem besetzten Gebiet aufzuhalten, und das sahrauische Volk hat ein international anerkanntes Recht auf Selbstbestimmung.
In seinem Schreiben an WSRW vom 13. April 2021 schrieb Engie: "Seit Beginn der Diskussionen wurden zwei juristische Analysen von großen Anwaltskanzleien erstellt; es wurde eine Sozial- und Umweltverträglichkeitsstudie durchgeführt, ebenso wie die Konsultation der lokalen Gemeinschaften, für die Sie uns heute zur Rede stellen und worum Sie gebeten haben. Alle diese Analysen wurden von externen Firmen durchgeführt, die für ihr Wissen und ihre Kompetenz im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte bekannt sind."
WSRW kann heute die unseres Wissens bisher unveröffentlichte Umweltverträglichkeitsstudie offenlegen, auf der das Projekt basiert. Sie ist in allen rechtlichen Aspekten schockierend schwach.
Die komplette Studie können Sie hier herunterladen.
Die Studie wurde 2017 vom marokkanischen Landwirtschaftsministerium erstellt und trägt den Namen "Etude de Structuration et de Dévolution du Project de Mise en Gestion Deléguée du Service de l'Eau d'Irrigation par Dessalement dans la zone de Dakhla. - R5 : Etude cadre d'impact sur l'environnement".
Das französische Unternehmen BRL Ingénierie aus Nîmes wurde mit der Durchführung der Arbeiten beauftragt. Das Entsalzungsprojekt ist Teil der "Strategie zur Entwicklung der Südprovinzen". In dem Dokument wird diese irreführende Terminologie wiederholt verwendet.
Der Bericht gliedert sich in fünf Kapitel: "- Überprüfung des für das Projekt geltenden Rechts-, Verwaltungs- und Regulierungsrahmens; - Beschreibung des Projekts und Analyse möglicher Alternativen; - Beschreibung und Charakterisierung des ursprünglichen Zustands der Umwelt; - Ermittlung der Risiken für die Umwelt und die sozialen Auswirkungen; - Synthese und Schlussfolgerung zu den potenziellen Umweltauswirkungen".
In dem Bericht wurde festgestellt, dass "keine negativen sozioökonomischen Auswirkungen festgestellt wurden, die einen Ausgleich erfordern".
Gleichzeitig und ohne jegliche Bewertung, dass das Land besetzt ist, wird eine erschreckend einseitige Darstellung dessen gegeben, was als schreckliche Folge für die Sahrauis angesehen werden muss. Dieser Abschnitt verdient ein ausführliches Zitat (Übersetzung von WSRW):
"Dieses noch relativ unberührte Gebiet der Gemeinde wird erheblich erschlossen und genutzt werden. Ein solches Projekt wird daher die Region beleben und wahrscheinlich neue Einwohner:innen auf der Suche nach Arbeit anziehen. [...] Ein Projekt dieser Größenordnung kann daher die Einwohnendenzahl der Gemeinde erheblich erhöhen. Dieser Punkt muss unbedingt berücksichtigt werden, um alle geeigneten Planungsmaßnahmen für einen solchen Bevölkerungszuwachs zu planen. [...] Die Auswirkungen sind nachhaltig und können insofern als positiv angesehen werden, als die neue Dynamik der Region durch die Ansiedlung neuer Einwohner:innen gefördert werden kann. [...] Ebenso wie der Standort zahlreiche Arbeitsplätze schaffen wird, wird der Betrieb der Entsalzungsanlage und des Windparks die Beschäftigung von Personal mit sehr unterschiedlichen Qualifikationen erfordern: Betriebspersonal (Ingenieur:innen, Techniker:innen usw.), Wartung oder auch Standortüberwachung. Schließlich werden die landwirtschaftlichen Einrichtungen die Hauptbeschäftigungsquelle in der Gemeinde darstellen. Die Überwachungsmaßnahmen werden auch spezialisierte lokale Teams in Anspruch nehmen (Überwachung der Wasserqualität, Versuchsfischereikampagnen, usw.). Die Auswirkungen sind positiv und dauerhaft, solange die Aktivität nachhaltig ist. Die Auswirkungen werden sich sowohl auf lokaler als auch auf regionaler Ebene bemerkbar machen.“
Mit anderen Worten: Die Umweltverträglichkeitsstudie, die entgegen ihrer Behauptung die geltenden rechtlichen Aspekte nicht berücksichtigt, betrachtet den Zuzug marokkanischer Siedler:innen als etwas Positives.
In derselben Berichtsreihe der marokkanischen Regierung wie die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts ist auch eine technische Studie enthalten, die im September 2017 fertiggestellt wurde. Auch diese Studie wurde offenbar von der französischen Beratungsfirma BRL Ingénierie verfasst und zeigt den gleichen Mangel an geografischer Kompetenz. Ihre Karten, wie die Nachfolgende, stimmen nicht mit denen der Vereinten Nationen überein.
Ein weiterer 95-seitiger - bis heute unveröffentlichter – „vorläufiger“ technischer Bericht, der von Engie und Nareva am 30. September 2019 gesponsert wurde, erläutert weiter die Pläne.
Zweck dieser Studie war es, den Meeresboden an der Stelle zu untersuchen, an der sich die Rohre für die Wasserzufuhr zur Entsalzungsanlage befinden sollen, sowie die Stelle, an der das Wasser abgeleitet wird. Die Studie fand an diesem Standort statt. Der Bericht wurde vom Konsortium Engie/Nareva bei BET RGC Ingénierie in Auftrag gegeben, das vom 23. bis 30. August 2019 an 28 verschiedenen Standorten Untersuchungen durchführte.
Eine Reihe von landwirtschaftlichen Karten sind in vier Versionen von 2017 verfügbar: General, Satellite, Zoom, infrastructure satellite.
Schließlich scheint auch das italienische Unternehmen, das mit der Planung und dem Bau der Entsalzungsanlage beauftragt wurde, Fisia Italimpianti S.p.A, keine Vorstellung vom Status des Territoriums zu haben, auf dem die Anlage gebaut wird.
In einem auf der Fisia-Website veröffentlichten Artikel [Download hier] sowie in den Fisia-Jahresberichten von 2021 und 2022 wird das Projekt in "Marokko" verortet. Dem Bericht von 2021 zufolge wurde der Vertrag Ende 2020 abgeschlossen, während der Bericht von 2022 erklärt, der Vertrag habe einen Wert von 99,6 Millionen Euro.
WSRW hat einen späten Entwurf des Vertrags zwischen Fisia Italimpianti S.p.a. und Dakhla Water & Energy Company (dem Engie/NAREVA-Konsortium) "für den schlüsselfertigen Bau des Dakhla-Entsalzungsprojekts in Dakhla, Marokko" erhalten.
In dem Dokument heißt es, dass sich der Begriff "Anwendbares Recht" auf die "von jeder marokkanischen Behörde, die für die Angelegenheit zuständig ist, erlassenen Gesetze" bezieht. Es wird erwähnt, dass Fisia "sich nach besten Kräften bemühen muss, marokkanische Arbeitskräfte und marokkanische Unterauftragnehmer für die Ausführung des Teils der Arbeiten, der im Lande ausgeführt wird, zu beschäftigen und dafür zu sorgen, dass seine Unterauftragnehmer:innen marokkanische Arbeitskräfte beschäftigen...", und dass "der Auftragnehmer qualifizierten marokkanischen Staatsangehörigen Vorrang einräumen muss". Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass der Bau außerhalb der internationalen Grenzen Marokkos, in der besetzten Westsahara, durchgeführt wird.
Im Fisia-Vertragsentwurf gibt es einen Absatz über "politische höhere Gewalt", in dem es heißt, dass dies "Invasion, bewaffnete Konflikte oder Handlungen ausländischer Feinde [...], die in Marokko stattfinden", einschließen könnte. Das Paradoxe ist natürlich, dass sich das Projekt an einem der wenigen Orte der Welt befindet, die von der UN-Vollversammlung als besetzt definiert wurden.
Western Sahara Resource Watch und die französische Vereinigung APSO schrieben am 11.01.2019 und am 09.12.2020 an Engie. Engie antwortete am 13.04.2021. WSRW schickte am 17.05.2021 und 22.05.2023 ein weiteres Schreiben, auf das keine Antwort erfolgte. Am 22.09.2023 wurden Briefe an Engie, Fisia und BRL Ingenierie gesandt. Engie schrieb WSRW am 28.09.2023, aber das Unternehmen hat nicht alle gestellten Fragen beantwortet. Fisia und BRL haben nicht auf die Anfragen von WSRW geantwortet.
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