Die von den Vereinten Nationen anerkannte Vertretung des Volkes der Westsahara traf sich mit kanarischen Fischer:innen, um im Kontext des bald auslaufenden Fischereivertrags zwischen der EU und Marokko andere Fischereimöglichkeiten zu erkunden.
Bild oben: Die Fischerei in der besetzten Westsahara wird heute weitgehend von einer kleinen marokkanischen Flotte betrieben. Das Bild zeigt den Hafen von Dakhla. Foto @ElliLorz
"Wir stehen Ihnen zur Verfügung, um einen rechtlichen Rahmen für Sie zu finden, damit Sie Ihre Aktivitäten fortsetzen können. Sie sind Opfer eines illegalen Abkommens zwischen Marokko und der EU", sagte Abdulah Arabi, Vertreter der Polisario in Spanien, am 6. Juli 2023 gegenüber der spanischen Zeitung El Independiente.
Die Frente Polisario, die von der UNO und dem EU-Gerichtshof als rechtmäßige Vertreterin des Volkes der Westsahara angesehen wird, traf sich einen Tag später am 7. Juli mit Fischer:innen der Kanarischen Inseln, um über private Lizenzen für den Fischfang in den Gewässern der Westsahara zu verhandeln.
Das Treffen findet nur zehn Tage vor dem Auslaufen des Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Union und Marokko statt. Die EU-Fischerei in dem besetzten Gebiet wurde vom EU-Gerichtshof im September 2021 für illegal erklärt.
Die Europäische Kommission hatte jedoch Berufung gegen das Urteil eingelegt. Es ist aber nicht zu erwarten, dass der Gerichtshof seine ständige Rechtsprechung zur Westsahara ändern wird, da er bereits sechs Urteile erlassen hat, in denen die Anwendung von Abkommen zwischen der EU und Marokko in dem Gebiet für null und nichtig erklärt wurde, weil die Zustimmung des Volkes des Gebiets nicht eingeholt wurde.
Die Nachricht, dass die Polisario Gespräche mit der spanischen Industrie geführt hat, wird von den Anwälten der Befreiungsbewegung bestätigt, die seit über einem Jahrzehnt vor den EU-Gerichten gegen die Anwendung mehrerer Abkommen zwischen der EU und Marokko auf die Westsahara anfechten.
"Es ist klar, dass die Europäische Kommission das Abkommen nicht neu verhandeln kann, aber gleichzeitig will die Polisario den Familien der Fischer:innen nicht schaden und ist bereit, mit den spanischen und europäischen Behörden, aber auch mit den Fischer:innen selbst zu sprechen", wird vom Polisario-Anwalt Manuel Devers zitiert.
"Aus rechtlicher Sicht sind die Fischereiressourcen sahrauisch und die Zustimmung des sahrauischen Volkes ist erforderlich, und seine einzige Vertretung ist die Frente Polisario. Es besteht die Möglichkeit, ein indirektes Abkommen mit der EU, zwischen den Fischer:innen und der Polisario auf der Grundlage privater Lizenzen, zu schließen", argumentiert Devers.
Der größte Teil der EU-Fischerei im Rahmen des Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko wird bisher in der besetzten Westsahara betrieben. Spanien, das den Löwenanteil der im Rahmen des Abkommens verfügbaren Fanglizenzen hält, ist einer der EU-Mitgliedstaaten, die sich für die Fortsetzung der Fischerei in der Kolonie einsetzen, die sie 1975 der marokkanischen Aggression überlassen haben.
Der EU-Gerichtshof erklärte das Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko 2018 zunächst für nicht anwendbar auf die Westsahara. Er entschied, dass Marokko keine Souveränität bzw. kein Verwaltungsmandat über das Gebiet hat und dass das Volk der Westsahara der Anwendung des Abkommens auf ihr Land nicht zugestimmt hat. Die EU-Kommission nahm daraufhin Verhandlungen mit Marokko - und nicht mit den Sahrauis - auf, um eine Änderung in das Abkommen aufzunehmen, die die Westsahara ausdrücklich in den territorialen Geltungsbereich des Abkommens einbezieht. Die Einwände der Sahrauis wurden nicht beachtet. Das geänderte Abkommen trat im Juli 2019 in Kraft und soll am 17. Juli 2023 auslaufen. Der EU-Gerichtshof erklärte das geänderte Abkommen im September 2021 auch für ungültig. Er führte dieselben Gründe an wie 2018 und fügte hinzu, dass die Zustimmung über die von den Vereinten Nationen anerkannte Vertretung des Volkes des Gebiets, die Frente Polisario, eingeholt werden müsse. Die EU hat das am 17. Juli auslaufende Fischereiabkommen wegen der ausstehenden Entscheidung des Gerichtshofs nicht neuverhandelt.
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