Die Zertifizierungsgsunternehmen LSQA hat alle Aktivitäten in der Westsahara eingestellt. Es hatte zuvor marokkanische Produzenten zertifiziert, die in dem besetzten Gebiet tätig waren.
„Wir teilen Ihnen mit, dass LSQA beschlossen hat, seine Aktivitäten in der Westsahara zu beenden, [....]. LSQA ist in Übereinstimmung mit internationalen Normen der Ansicht, dass es nicht möglich ist, die Zertifizierung in sahrauischem Gebiet fortzusetzen, ohne die Anforderungen des von den sahrauischen Behörden herausgegebenen Systems zu erfüllen, das die notwendigen Garantien für die Ausstellung der Zertifizierung bietet“, schrieb das Unternehmen im Juli in einem Brief an die sahrauische Botschaft in Montevideo. Western Sahara Resource Watch (WSRW) hat diesen Brief erhalten.
Im März letzten Jahres hatte LSQA das marokkanische Agrarunternehmen FMI Nabih Agricole nach dem sogenannten «Integrated Farm Assurance Standard» von GLOBALG.A.P. zertifiziert, der sich auf gute landwirtschaftliche Praxis, Rückverfolgbarkeit, Hygienekontrollen und Lebensmittelsicherheit konzentriert.
Sowohl im Register von GLOBALG.A.P. als auch auf dem Zertifikat selbst wurde der Betrieb als in Marokko gelegen aufgeführt, obwohl er sich tatsächlich in der besetzten Westsahara befindet. FMI Nabih Agricole hat Exporte von Tomaten und Melonen in die Schweiz, nach Deutschland, in die EU, nach Großbritannien, Marokko und Russland angemeldet.
WSRW hat bereits zuvor die Rolle von GLOBALG.A.P. bei der Zertifizierung von Agrarunternehmen dokumentiert, die vom marokkanischen Staat in diesem Gebiet gegründet wurden. GLOBALG.A.P. hat auf die meisten Fragen von WSRW bezüglich der fortgesetzten Zertifizierung und falschen Zuordnung von Farmen in der Westsahara nicht geantwortet.
Die fehlerhafte Angabe des Herkunftslandes im Register von GLOBALG.A.P. bedeutet, dass europäische Einzelhandelsunternehmen, die sich auf das System verlassen, unbeabsichtigt die Herkunft von Produkten falsch darstellen und sich damit möglicherweise des Lebensmittelbetrugs schuldig machen.
LSQA befindet sich im gemeinsamen Besitz des Technologischen Labors von Uruguay und des österreichischen Unternehmens Quality Austria (jeweils 50 %).
Im Juli berichtete WSRW, dass Quality Austria selbst an Zertifizierungen für ein in diesem Gebiet tätiges Exportunternehmen für Meeresfrüchte beteiligt ist. Fotos von Mitarbeiter:innen von Quality Austria, die das besetzte Gebiet besuchten, wurden von einem marokkanischen Exportunternehmen veröffentlicht.
Sowohl LSQA als auch Quality Austria sind Mitglieder von IQNet, dem International Certification Network, dessen Logos ebenfalls auf Zertifikaten erscheinen, die an marokkanische Unternehmen in der Westsahara ausgestellt werden. Weder Quality Austria noch IQNet haben auf die Fragen von WSRW geantwortet.
WSRW hat sich am 29. November 2024 schriftlich an LSQA gewandt.
In seiner Antwort vom 27. Januar 2025 erklärte LSQA, dass es seine Zertifizierungsentscheidung auf der Grundlage der von dem Unternehmen, das die Zertifizierung beantragt hatte, vorgelegten Informationen und in Übereinstimmung mit dem von GLOBALG.A.P. festgelegten Rahmen getroffen habe.
„in Übereinstimmung mit den von GLOBALGAP festgelegten Richtlinien, einer Institution, die die Zertifizierungsrichtlinien herausgibt und deren Aufgabe es ist, die Eignung der jeweiligen Zertifizierungsstellen für die Anwendung dieser Richtlinien nachzuweisen. Zu diesem Zweck stützt sich LSQA auf die eidesstattlichen Erklärungen, die der Kunde vor Beginn des Auditprozesses abgegeben hat, wobei es in der Verantwortung des Kunden liegt, die Richtigkeit aller Angaben zu gewährleisten, einschließlich des Firmensitzes gemäß den offiziellen Gründungsunterlagen. Darüber hinaus hat LSQA die für den Prozess relevanten offiziellen Unterlagen des Unternehmens geprüft, die von den marokkanischen Behörden ausgestellt wurden. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass LSQA sich weiterhin den von GLOBALGAP festgelegten Standards verpflichtet fühlt und bereit ist, die angewandten Verfahren anzupassen, wenn dies von GLOBALGAP vorgesehen ist."
Seitdem hat LSQA seine Entscheidung überdacht.
„Die Situation in der Westsahara offenbart einen strukturellen Mangel im Zertifizierungssystem“, erklärte Karin Scheele von Western Sahara Resource Watch in Österreich und Vorsitzende der Österreichisch-Saharauischen Gesellschaft.
„Standards, die Vertrauen schaffen sollen, werden in einem Kontext angewendet, in dem die rechtmäßigen Eigentümer:innen des Landes kein Mitspracherecht haben. LSQA hat sich zurückgezogen, sobald die Auswirkungen klar wurden. Die gleiche Überlegung ist nun auch von GLOBALG.A.P, Quality Austria und IQNet erforderlich“, so Scheele.
Dies ist nicht die erste Zertifizierungsstelle, die sich aus dem Gebiet zurückzieht. Im Jahr 2020 gab das norwegische Unternehmen DNV GL bekannt, dass es seine Aktivitäten in der Westsahara einstellen und nicht zurückkehren werde.
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