Engie beginnt mit der Stromerzeugung auf besetztem Land
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WSRW verurteilt Engies eklatante Missachtung des Völkerrechts in der besetzten Westsahara aufs Schärfste.

26. März 2025

Bild: Chinesische Windräder auf Teneriffa, Kanarische Inseln, auf dem Weg zu Engies Projekt in der besetzten Westsahara, 2023.

Am 16. März 2025 gab der Regionaldirektor von Engie für Nordafrika bekannt, dass der Windpark Dakhla mit der Produktion der ersten Gigawattstunden (GWh) Strom begonnen hat. Der 60-MW-Windpark ist in erster Linie für die Stromversorgung von Entsalzungsanlagen. Diese sollen in der Nähe von Dakhla, einer Stadt im von Marokko militärisch besetzten Teil der Westsahara, über 5.000 Hektar Land für die Landwirtschaft nutzbar machen.

LinkedIn, 18. März 2025

Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus dem Gebiet, darunter Tomaten und Melonen, werden überwiegend in die Europäische Union exportiert, und waren dort Gegenstand von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Der Gerichtshof hat wiederholt – und zuletzt am 4. Oktober 2024 – entschieden, dass das Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko, das Zollpräferenzen für landwirtschaftliche Erzeugnisse vorsieht, nicht auf die Westsahara angewendet werden kann, weil das Volk des Gebiets dem nicht zugestimmt hat. Daher wurde das Handelsabkommen, das die Agrareinfuhren aus Dakhla abdeckt, als Verstoß gegen die Grundsätze des Völkerrechts, vor allem gegen das Recht auf Selbstbestimmung, angesehen. Das Abkommen wird am 4. Oktober 2025 nicht mehr für die Westsahara gelten.

Die Agrarunternehmen in Dakhla befinden sich größtenteils im Besitz französisch-marokkanischer Geschäftsleute. Das größte Agrarunternehmen, das von dem Projekt von Engie profitieren könnte, ist „Les Domaines Agricoles“ (ehemals „Domaines Royaux“), das dem marokkanischen Königshaus gehört. Dies unterstreicht die komplizierte Beziehung zwischen den Interessen des marokkanischen Staates und den wirtschaftlichen Aktivitäten in dem besetzten Gebiet.

Ein anderer Engie-Direktor kommentierte den Beitrag mit den Worten „Jetzt sind die Entsalzungsanlagen an der Reihe“

Im Juni 2022 unterzeichneten Engie und sein Partnerunternehmen Nareva, das Energieunternehmen des marokkanischen Königs, mehrere öffentlich-private Partnerschaftsvereinbarungen und eine Absichtserklärung mit der marokkanischen Regierung, um das windbetriebene Entsalzungsprojekt voranzutreiben. Diese Zusammenarbeit wurde kritisiert, weil sie in einem Gebiet unter militärischer Besatzung stattfindet, in dem Marokko keine anerkannte Souveränität besitzt.

„Vielen Dank“, lautete der Kommentar von Engie auf die Gratulation zum „neuen Meilenstein für ENGIE Solutions Middle East, das sich stark für die Dekarbonisierung einsetzt, um Marokko bei seiner Roadmap zu unterstützen“. Und wieder einmal versteht Engie nicht, wo es tätig ist.

Die Menschen mit den Hoheitsrechten über das Gebiet, die Sahrauis, lehnen die Aktivitäten von Engie auf ihrem Land ab. Das sahrauische Parlament verurteilte 2023 „die eklatante Beteiligung des Unternehmens Engie an der Konsolidierung der illegalen marokkanischen Besatzung im Gebiet der Westsahara“.

Der Bauleiter des Engie-Joint-Ventures Dawec kommentierte, dass er dem Team des chinesischen Windradlieferanten Envision gratuliere.

The director of the construction of Engie's joint-venture Dawec commented that he congratulates the team of the Chinese windmill supplier Envision. 

Engie hat seine Vorgehensweise unter Berufung auf zwei Rechtsgutachten und eine Studie über die sozialen und ökologischen Auswirkungen verteidigt, diese Dokumente jedoch nicht öffentlich zugänglich gemacht, wodurch eine Überprüfung nicht möglch ist. WSRW hat Engie aufgefordert, diese Dokumente freizugeben, darunter eine Studie von Global Diligence, die angeblich Konsultationen mit lokalen Gemeinschaften beinhaltete. WSRW argumentiert, dass dieser Ansatz im Kontext einer militärischen Besatzung, bei der marokkanische Siedler:innen in der Überzahl sind, unsinnig ist. Der EU-Gerichtshof hat diese Praxis ebenfalls abgelehnt und erklärt, dass die Konsultation der lokalen Bevölkerung in dem Gebiet – die mehrheitlich keine Sahrauis sind – nicht mit dem Zustimmungsrecht dem Volk gleichgesetzt werden kann, das legitime Rechte an dem Land und seinen Ressourcen hat.

Während Engie vorgibt, ethisch zu handeln, bezeichnet das Unternehmen in seinen Verträgen und in der öffentlichen Kommunikation den Standort des Projekts als „Marokko“, was grob falsch ist. Die rechtlichen Hinweise in durchgesickerten Dokumenten nehmen in keiner Weise Bezug auf den Status des Gebiets.

„Wir verurteilen Engies unverhohlene Unterstützung der marokkanischen Besatzung der Westsahara sowohl durch seine Handlungen als auch durch seine Äußerungen aufs Schärfste“, sagte Sara Eyckmans, Koordinatorin von Western Sahara Resource Watch.

Im Oktober 2024 unterzeichnete Engie einen Monster-Deal mit Marokkos staatseigenem Phosphatunternehmen OCP SA, der aller Wahrscheinlichkeit nach weitere Projekte in der besetzten Westsahara nach sich ziehen wird. Engie hat auf die Bitte von WSRW um Klarstellung nicht reagiert.

„WSRW fordert alle Anteilseigner:innen auf, Engie zu konfrontieren oder Anteile abzustoßen. In einer Zeit, in der das Völkerrecht stark unter Druck steht, sollte das Verhalten von Engie nicht unwidersprochen bleiben. Das Projekt von Engie ist eines der umstrittensten Projekte in besetzten Gebieten. Sein Zweck ist die Ausweitung einer Agrarindustrie in dem Gebiet, das vom EuGH als Verstoß gegen die Rechte des sahrauischen Volkes eingestuft wurde. Ein erster Test für jede:n Investor:in müsste die Forderung nach der sofortigen Veröffentlichung der geheimen Global-Diligence-Studie, die anscheinend den Zweck hatte, die Projekte durch die Einholung der Meinung der marokkanischen Interessenvertreter:innen in den besetzten Gebieten zu legitimieren“, erklärte Eyckmans.


 

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