Tomaten aus der besetzten Westsahara, die mit einer GLOBALG.A.P.-Nummer (GGN) zertifiziert sind, werden in Edeka-Geschäften in Deutschland mit falscher Herkunftsangabe verkauft.
Lebensmittel, die in der EU verkauft werden, müssen unter anderem durch genaue Angaben zum Herkunftsland gekennzeichnet sein. In Bezug auf die Kennzeichnungspflicht von Fischerei- und Agrarprodukten aus der Westsahara bestätigte das höchste Gericht der EU Ende 2024, dass diese nicht als marokkanisch gekennzeichnet werden dürfen, da es sich um zwei gesonderte und unterschiedliche Gebiete handelt.
Einige Lebensmittelketten scheinen das jedoch verschlafen zu haben. Mit Hilfe von Freiwilligen in ganz Europa hat Western Sahara Resource Watch Produkte auf dem EU-Markt identifiziert, die falsche Herkunftsbezeichnungen tragen.
Hier sind zwei davon. Das Foto rechts, aufgenommen im August 2025 in einer EDEKA-Filiale in Chemnitz, zeigt eine Packung Mini-Pflaumentomaten. Das Foto oben wurde im September 2025 in Berlin im EDEKA Geschäft in der Yorckstraße aufgenommen.
Die Etiketten weisen die Produkte als marokkanisch aus und geben an, dass sie in Agadir verpackt wurden. Die Kontroverse verbirgt sich jedoch in der diskreten GlobalG.A.P.-Nummer (GGN) auf den Etiketten der beiden Verpackungen. Durch dieses Codesystem, das vom deutschen Zertifizierungssystem GLOBALG.A.P. ausgestellt wird, kann man die Tomaten bis zum marokkanischen Unternehmen Tawarta zurückverfolgen.
Der Produktionsstandort mit dem GGN-Code 4063061817693 befindet sich jedoch gar nicht in Marokko, sondern in Dakhla, in der besetzten Westsahara, wie der GGN-Datenbankeintrag für das Zertifikat zeigt.
Für WSRW bleibt unklar, ob der Fehler von EDEKA auf systematische Länderfehler im GGN-Register zurückzuführen ist. Das GGN-Code-System von GLOBALG.A.P. verwendet durchweg falsche Länderangaben auf allen Zertifikaten, die an marokkanische Unternehmen ausgestellt werden, die in der besetzten Westsahara tätig sind. Jede GGN-Nummer kann in der öffentlich zugänglichen GGN-Datenbank überprüft werden.
„Solange GGN-Codes systematisch und fälschlicherweise Standorte in der Westsahara als in Marokko gelegen aufführen, raten wir EU-Verbraucher:innen, Produkte mit einem GGN-Label zu meiden. Das System ist in Bezug auf die Herkunftsangaben einfach nicht vertrauenswürdig“, erklärt Tim Sauer von Western Sahara Resource Watch Germany.
WSRW hat EDEKA in einem gestern versandten Schreiben https://vest-sahara.s3.amazonaws.com/wsrw/feature-images/File/2558/68b9c24267c0d_WSRW-Edeka_04.09.2025.pdf um eine Stellungnahme zur Bedeutung der falschen Länderangaben auf dem GLOBALG.A.P.-Zertifikat und deren Auswirkungen auf die Produktkennzeichnung in den Verkaufsregalen. WSRW erklärte, dass es von EDEKA erwartet, die fehlerhaften Länderangaben zu korrigieren und die Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2024 zur ordnungsgemäßen Kennzeichnung dieses und ähnlicher Produkte einzuhalten. Als Eigentümer der Marke Gut & Günstig, unter der die Produkte vermarktet werden, ist EDEKA für die korrekte Kennzeichnung des Herkunftslandes verantwortlich.
WSRW fragte auch, ob EDEKA, um eine Irreführung seiner Verbraucher zu vermeiden, alle GGN-Codes auf allen Produkten aus der Westsahara und Marokko entfernen würde, da die zugehörigen GLOBALG.A.P.-Zertifikate aus der Westsahara sachlich falsche Länderangaben enthalten, die Verbraucher irreführen könnten, die eine Unterstützung ausländischer Besatzungen vermeiden möchten.
WSRW berichtete letzte Woche über die umstrittene Praxis von GLOBALG.A.P., marokkanische Unternehmen, die in den besetzten Gebieten tätig sind, als „verantwortungsbewusst“ zu zertifizieren, weil sie die marokkanischen Gesetze einhalten. https://wsrw.org/en/news/globalgap-brands-settler-farms-responsible
Ein sahrauischer Landwirt aus der Westsahara, der nach der brutalen Invasion des Gebiets zur Flucht gezwungen wurde, bezeichnete die Zertifizierung marokkanischer Unternehmen in seiner Heimat durch GLOBALG.A.P. als „schockierend”. https://wsrw.org/en/news/farmer-in-exile-globalgap-is-certifying-injustice
WSRW hat gestern GLOBALG.A.P. geschrieben und gefragt, ob die Organisation EDEKA darüber informiert hat, dass alle ihre Zertifikate für die Westsahara falsche Länderangaben enthalten.
Ein weiterer problematischer Aspekt der Mini-Pflaumentomaten aus Dakhla in den EDEKA-Geschäften betrifft die Einhaltung von Menschenrechten: Gemäß seiner Richtlinie verlangt EDEKA ein sogenanntes GRASP (GLOBALG.A.P. Risk Assessment on Social Practice) als „Mindestanforderung für die Beschaffung durch EDEKA“.
Wie kann jedoch ein GRASP in einem besetzten Gebiet durchgeführt werden? GLOBALG.A.P. hat gegenüber WSRW bestätigt, dass „keine nationale Auslegungsrichtlinie für die Westsahara existiert”. WSRW ist unklar, wie es technisch möglich sein soll, ein GRASP für ein Gebiet zu erhalten, für das keine nationale Richtlinie gilt. Der marokkanische Agrarsektor in der Westsahara verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis, das ein Menschenrecht ist.
EDEKA ist eine der größten Supermarktketten Deutschlands und als Genossenschaftsnetzwerk organisiert. Die Gruppe besteht aus Tausenden von unabhängigen, selbstständigen Einzelhändlern, die Geschäfte unter dem Namen EDEKA betreiben. Die Mini-Pflaumentomaten werden unter der Eigenmarke „Gut & Günstig” von EDEKA verkauft, die eine breite Palette von Lebensmitteln und Haushaltsprodukten umfasst, die unter anderem in EDEKA und Netto Markendiscount-Geschäften erhältlich sind. Die Verantwortung für die Qualitätssicherung und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften für Gut & Günstig-Produkte liegt bei der EDEKA Zentrale in Hamburg.
Das GlobalG.A.P.-Zertifikat des exportierenden Betriebs in der Westsahara wurde von dem spanischen Unternehmen ACERTA Certificación, S.L. geprüft. WSRW hat ACERTA am 29. Dezember 2024 zu dieser Angelegenheit angeschrieben.
Das Unternehmen antwortete WSRW, dass „die von Ihnen angesprochene Kernfrage die Möglichkeiten unseres Unternehmens übersteigt, eine angemessene Antwort zu geben. Unser Unternehmen hält sich strikt an die Richtlinien der Organisationen, die die Standards festlegen. Aus diesem Grund muss ich Ihnen leider mitteilen, dass wir derzeit keine direkte Antwort geben können, da wir diese Angelegenheit zunächst GLOBALG.A.P. zur Kenntnis bringen müssen”.
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