Enels umstrittener 300-MW-Windpark Boujdour in der besetzten Westsahara, der von Siemens Gamesa beliefert wurde, ist nun in Betrieb genommen worden.
Am 25. Juli hat die marokkanische Regierung bekannt gegeben (Download hier), dass der 300-MW-Windpark Boujdour II nun betriebsbereit ist. In der Pressemitteilung heißt es, dass alle Windräder des Parks kommissioniert worden sind, ebenso wie das 225-400kV Umspannwerk Boujdour II.
Der Windparks befindet sich in Eigentum des italienischen Unternehmens Enel Green Power und Nareva, dem Energieunternehmen des marokkanischen Königs. Zusammen halten sie 65% der Anteile an dem Park, die restlichen 35 % werden von der marokkanischen Elektrizitätsagentur ONEE gehalten. Die Windräder wurden von Siemens Gamesa geliefert. Der erzeugte Strom wird ONEE in Rechnung gestellt, welches in ihrer Pressemitteilung erklärt, dass diese neue Entwicklung "eine stabile und qualitativ hochwertige Stromversorgung für die Bewohner:innen und die Industrie in der südlichen Region" gewährleisten wird.
Der Windpark Boujdour II ist Teil eines Vertrags, den das Konsortium Enel Green Power, Siemens Wind Power und Nareva 2016 abgeschlossen hat und der den Bau von drei Windparks in Marokko und zwei in der besetzten Westsahara vorsieht. Zusammen haben diese Parks eine Kapazität von 850 MW - etwa die Hälfte davon ist für das besetzte Gebiet geplant: der 300-MW-Park in Boujdour und ein 100-MW-Park für Tiskrad, der noch nicht gebaut worden.
Boujdour II ist der vierte Windpark, der in der besetzten Westsahara in Betrieb genommen wird. Alle vier Parks haben eine Verbindung zur Siemens-Firmenfamilie. Die drei bereits in Betrieb befindlichen sind:
Mehrere andere Windparks sind in Planung: der 100-MW-Park Tiskrad, der 200-MW-Park Aftissat 2 (Projekt von General Electric), der 80-MW-Park Ghrad Jrad (Projekt von Voltalia), der 40-MW-Windpark für die Entsalzungsanlage in Dakhla (Projekt von Engie), der 900-MW-Windpark Harmattan Dakhla (Projekt von Harmattan Energy Ltd) und der 200-MW-Park Biranzarane (Projekt von Green of Africa, einem Unternehmen im Portfolio des derzeitigen marokkanischen Premierministers Aziz Akhannouch).
Etwas verwirrend ist, dass es keinen Windpark mit dem Namen Boujdour I gibt. Es gibt jedoch einen 20-MW-Solarpark, der als Boujdour I oder Noor Boujdour I bezeichnet wird: Die Anlage wurde von ACWA Power gebaut und ist seit 2018 in Betrieb.
Western Sahara Resource Watch (WSRW) beobachtete die ersten Lieferungen an den neuen umstrittenen Boujdour II-Park aus Bilbao und Motril in Spanien im Jahr 2021. Als Siemens Gamesa den Vertrag ankündigte, bezeichnete das Unternehmen den Standort als "Boujdour-Windpark, im Süden Marokkos gelegen".
WSRW hat wiederholt an die Siemens-Unternehmen und an Enel geschrieben.
WSRW hat Enel am 03.07.2013, 27.09.2016, 11.10.2016, 02.06.2020, 03.09.2021 um Informationen gebeten. Das Unternehmen hat auf die wesentlichen Fragen in den Schreiben nie geantwortet (siehe Antworten zu den Schreiben vom 10.10.2016, 30.06.2020 und 13.09.2021).
WSRW schrieb der Siemens AG am 06.03.2012, 19.06.2012, 03.07.2013, 26.09.2016, 07.12.2017 und erhielt Antworten von der Siemens AG am 10.05.2012, 10.10.2016, 08.01.2018. WSRW schrieb Siemens Gamesa, 01.10.2018 und 20.08.2021. Siemens Gamesa antwortete am 16.11.2018, 24.04.2020, 07.04.2021 und 27.09.2021. WSRW schrieb Siemens Energy am 18.02.2021, Siemens Energy antwortete am 23.03.2021. Siemens Energy wurde auf den Hauptversammlungen 2021, 2022 und 2023 mit der Angelegenheit konfrontiert, Siemens Gamesa auf den Hauptversammlungen 2022 und 2023, die Siemens AG auf den Hauptversammlungen 2017, 2018 und 2020.
Es gibt mehrere problematische Aspekte im Zusammenhang mit Marokkos illegalen Energieprojekten außerhalb seiner Landesgrenzen. Die auf besetztem Land erzeugte Energie erhöht die Abhängigkeit Marokkos von dem von ihm besetzten Gebiet. Damit untergraben die Projekte die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen in der Westsahara, die darauf abzielen, dem sahrauischen Volk die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts zu ermöglichen. Die Energie wird von Industrien genutzt, die nicht erneuerbare Ressourcen des Gebiets ausbeuten, und sie bietet Beschäftigungsmöglichkeiten, die weitere Siedler:innen aus Marokko anziehen. Mit der Zeit kann sie auch ins Ausland exportiert werden, unter anderem in die EU.
Eine vollständige Bestandsaufnahme und die Dilemmata der Branche finden Sie im WSRW-Bericht "Greenwashing Occupation" aus dem Jahr 2021.
Da Sie schon einmal hier sind...
Die Recherchen von WSRW werden mehr denn je gelesen und genutzt. Unsere Arbeit ist zum überwiegenden Teil ehrenamtlich, sie erfordert Zeit, Hingabe und Sorgfalt. Aber wir tun sie, weil wir glauben, dass sie wichtig ist - und wir hoffen, dass Sie das auch tun. Mit einer kleinen monatlichen Unterstützung können Sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Zukunft von WSRW zu sichern und dafür sorgen, dass wir weiterhin unseren komplett unabhängigen Recherchen nachgehen können.
Eine regelmäßige Spende können Sie hier einrichten. Vielen Dank!
Siemens Energy ist unter den multinationalen Konzernen, die Berichten zufolge Interesse bekundet haben, Marokko beim Transport von in der besetzten Westsahara erzeugtem Strom in sein Staatsgebiet zu unterstützen.
Während die französische Regierung jegliche völkerrechtliche Norm in der Westsahara ignoriert, setzt sie ihre eigenen Unternehmen einem ernsthaften Risiko aus.
Die irische Fluggesellschaft hat eine neue Route nach Dakhla in "Marokko" angekündigt und lobt die Besatzungsmacht für ihre "Unterstützung und Vision bei der Sicherung dieser Großinvestition".
Ein von der EU-Kommission erstellter Bericht gibt Aufschluss über die enorme Summe, die die EU in nur einem Jahr und das allein im Rahmen des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko den Sahrauis vorenthält.