Konfliktheidelbeeren
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Heidelbeeren "made in Morocco" werden in naher Zukunft nicht nur in Marokko, sondern auch in der besetzten Westsahara hergestellt. WSRW fordert den Handel auf, schon jetzt Maßnahmen zu ergreifen.

17. Juni 2021

Illustrationsfoto: Bislang konzentrierte sich die Landwirtschaft in der besetzten Westsahara auf Tomaten und Melonen. 

Dakhla, an der Mittelküste der besetzten Westsahara gelegen, hat in den letzten zehn Jahren einen regelrechten Boom in der landwirtschaftlichen Produktion erlebt. Auf Farmen, die entweder dem marokkanischen König selbst oder französisch-marokkanischen Joint Ventures gehören, werden auf und in der Nähe der Halbinsel vor allem Kirschtomaten und Melonen produziert. 

Und nun erstmals auch Heidelbeeren. Laut Blueberriesconsulting Magazine [Download] haben "zwei multinationale Beerenfirmen begonnen, in der Gegend zu produzieren". Auf der Website wird auch behauptet [Download], dass neue Farmen "derzeit aufgebaut werden". Marokkanische Medien berichteten 2019 [Download], dass die französischen Firmen Idyl und Azura sowie die marokkanischen Firmen Domaines Agricoles und Maraîchage du Sahara hinter den Investitionen stehen. Auf der Website von Idyl [Download] heißt es, dass das Unternehmen Heidelbeeren "in Marokko" produziere.

Marokkos Bestreben, Investor:innen für das von ihm besetzte Territorium zu gewinnen, ist sehr besorgniserregend. 

"Wir rufen alle importierenden Unternehmen marokkanischer Heidelbeeren auf, sich über die tatsächliche Herkunft der von ihnen gekauften Produkte zu erkundigen. Von den marokkanischen Exportierenden müssen volle Garantien eingeholt werden, dass ihre Produkte tatsächlich aus Marokko stammen und nicht aus der Westsahara. Einzelhändler:innen können nicht zulassen, dass ihre Kund:innen die brutale und illegale marokkanische Kolonisierung des Gebietes finanzieren. Unternehmen, die in der Westsahara produzieren, sollten gänzlich gemieden werden", erklärte Sylvia Valentin, Vorsitzende von WSRW. Sie wies außerdem darauf hin, dass dieser Prozess jetzt beginnen muss und nicht erst, wenn die Produktion bereits angelaufen ist. 

Eine Agroexportfirma, die im Zusammenhang mit der Beerenproduktion erwähnt wird, ist BestBerry, die ihren Sitz in der Provinz Kenitra, im eigentlichen Marokko, hat. Der Generaldirektor von BestBerry, Nabil Belmkaddem, erklärte bereits im Jahr 2019 [Download], dass "die frühe Produktion der Schlüssel zu wettbewerbsfähigen Beerenexporten ist", denn "dort sind die besten Preise in ihrem Hauptziel Europa" zu erzielen. 

Diese Argumentation basierend auf der frühen Produktion ist es, die das Interesse der Beerenproduzenten für Dakhla erklärt. Die Beeren können hier 4 bis 6 Wochen vor denen aus Agadir im Süden Marokkos geerntet werden, und sogar 6 bis 8 Wochen vor dem Beginn der Produktion in Nordmarokko. Die Wetterbedingungen in der Nähe der Halbinsel - mit einer kühlen Brise, die für eine natürliche Belüftung sorgt und so Pflanzenkrankheiten vorbeugt - gelten als günstig für gute Qualitätserträge.

Die BestBerry-Kooperative wurde laut ihrer LinkedIn-Seite im Jahr 2017 von "Landwirten in Nordmarokko gegründet, die gemeinsame Wertvorstellungen bezüglich (...) Landeigentums teilen". Es ist nicht bekannt, wie BlueBerry die Frage des Landeigentums in dem militärisch besetzten Gebiet berücksichtigt hat.

Marokko exportiert Berichten zufolge in 41 Länder, den Großteil jedoch nach Europa; 98 Prozent der Erdbeeren, 99 Prozent der Himbeeren und 89 Prozent der Heidelbeeren gehen an den Kontinent.

Derzeit prüft der Europäische Gerichtshof (EuGH) erneut die Einfuhr von Produkten aus der besetzten Westsahara im Rahmen der Präferenzen, die durch das Handelsabkommen der Union mit Marokko gewährt werden. Der Gerichtshof hatte diese Praxis bereits 2016 für rechtswidrig erklärt, da die Westsahara ein von Marokko gesondertes und unterschiedliches Territorium ist und letzteres keine Souveränität oder ein Mandat hat, es zu verwalten. Der Gerichtshof argumentierte, dass die Westsahara nur dann rechtmäßig von den Handelsbeziehungen zwischen der EU und Marokko eingeschlossen werden könne, wenn das Volk des Territoriums dem zugestimmt hat. Dennoch entschieden sich die EU-Institutionen dafür, weiterhin aus dem besetzten Territorium zu importieren, indem sie eine kleine Änderung in der territorialen Beschreibung des bestehenden, mit Marokko ausgehandelten Handelsabkommens einführten. Das Volk der Westsahara wurde in dem gesamten Prozess völlig ignoriert und es blieb ihm nichts anderes übrig, als erneut ein Verfahren einzuleiten. Für mehr Hintergrundinformationen hierzu lesen Sie bitte den WSRW-Bericht "Above the Law", der im Dezember 2020 veröffentlicht wurde. Es wird erwartet, dass der EuGH in den kommenden Monaten ein Urteil fällen wird. 

Die Heidelbeere ist eine mehrjährige Pflanze und im Vergleich zu anderen Beeren weniger aufwändig in der Produktion. Die gute Kapitalrendite der Pflanze spricht wahrscheinlich für das Interesse der in Dakhla ansässigen Agro-Unternehmen.

Das Blueberriesconsulting Magazine wies auch darauf hin, dass die Heidelbeerproduktion in einem Gebiet mit viel mehr Potenzial stattfindet, da die marokkanische Regierung ein 5.000 Hektar großes Bewässerungsgebiet vorbereitet, das auf der Entsalzung von Wasser aus dem Atlantik basiert. Wie WSRW berichtet, haben die marokkanischen Behörden den französischen multinationalen Konzern Engie mit dem Bau einer Entsalzungsanlage in Dakhla beauftragt. Das Unternehmen hat bisher nicht auf die Briefe von WSRW geantwortet, in denen gefragt wurde, wie das Unternehmen die Zustimmung des Volkes der Westsahara zu den Operationen von Engie in seinem besetzten Heimatland erhalten hat.

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