Konfliktressource Phosphat - vier Jahrzehnte Plünderung
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Seit über 40 Jahren exportiert ein marokkanisches Staatsunternehmen Phosphatgestein aus der besetzten Westsahara. 

11. Mai 2023

In der großen Mine Bou Craa wird Phosphatgestein abgebaut und über das längste Förderband der Welt in den 100 Kilometer westlich gelegenen Hafen von El Aaiún transportiert. Frachtschiffe bringen das Phosphat aus der besetzten Westsahara zu den internationalen Importeuren für die Produktion von Düngemitteln. Der Export hat Marokko seit Beginn der Besatzung enorme Einnahmen beschert.

Auf Basis unserer Analyse der Routen von Frachtschiffen, die den Hafen von El Aaiún verlassen, veröffentlicht WSRW jährliche Übersichtsberichte über die umstrittenen Exporte. Die Berichtsreihe - P for Plunder - deckt bisher den Handel für die Kalenderjahre 2012-2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 ab. Einige Ausgaben wurden auch auf Französisch und Spanisch veröffentlicht. 

Die marokkanische Regierung betreibt die Mine über das staatliche Unternehmen OCP SA. Eins der größten Importunternehmen in den letzten Jahren ist Paradeep, eine Tochtergesellschaft von OCP selbst, mit Sitz in Indien. Der seit 2022 größte Importeur ist Innophos aus aus Mexiko.

Zwei importierende Unternehmen in Neuseeland - Ravensdown und Ballance Agri-Nutrients - waren in den letzten Jahrzehnten die stabilsten Käufer des umstrittenen Konfliktminerals.

Seit WSRW im Jahr 2012 mit der jährlichen Berichterstattung begann gab es große Verschiebungen in der Handelsstruktur. Die wichtigste Entwicklung fand im Dezember 2018 statt, als die Exporte nach Nordamerika endeten. Bis zu diesem Zeitpunkt war der beteiligte Importeur Nutrien für den Kauf von ca. 50 % des aus der Westsahara exportierten Gesteins verantwortlich. Der Ausstieg nordamerikanischer Abnehmer:innen veranlasste OCP, neue Kund:innen zu finden. Ab 2022 gab es Exporte nach Indien, Mexiko, Neuseeland sowie kleinere Lieferungen auf die Philippinen, nach Australien und Israel. WSRW untersucht diese neue Entwicklung zur Zeit. 

Seit 2022 werden im besetzten Gebiet eine Düngemittelfabrik und ein neuer Hafen gebaut. Dadurch werden die Gewinne Marokkos aus der Mine in den kommenden Jahren wahrscheinlich steigen. 

Die Sahrauis haben immer wieder ihre Ablehnung dieser Handelsgeschäfte zum Ausdruck gebracht. 

OCP behauptet, der Handel sei legal und fördere lokale Beschäftigungsmöglichkeiten. Ihre Argumente stützen sich auf Berichte, die sie bei Anwaltskanzleien in Auftrag gegeben hat. Die Berichte werden außerdem von den importierenden Firmen - wie z.B. in Neuseeland - benutzt, um den Handel zu verteidigen. Alle von OCP erstellten Studien sind jedoch streng geheim und werden nicht an die Sahrauis weitergegeben. Dadurch ist es nicht möglich, den Bezugsrahmen, die Methodik und Ergebnisse der Berichte zu beurteilen. WSRW hält es für wahrscheinlich, dass weder Aspekte des Völkerrechts noch des Rechts auf Selbstbestimmung in den Studien berücksichtigt werden und dass die einzigen "Interessenvertreter:innen", mit denen die Autor:innen möglicherweise in Kontakt standen, mit dem Marokkanischen Staat in Verbindung stehen. Keine bekannte sahrauische Gruppe wurde jemals zu dem Handel befragt.

Im Jahr 2018 urteilte der High Court in Südafrika im Fall der NM Cherry Blossom, dass das Frachtschiff, welches auf dem Weg von der Westsahara nach Neuseeland Halt in Südafrika machte, illegal exportierte Ladung transportierte. Das südafrikanische Gericht bezog sich auf die Schlussfolgerungen der Urteile des Europäischen Gerichtshofs zum Selbstbestimmungsrecht der Westsahara. Der UN-Rechtsberater erklärte 2002, dass eine weitere Ausbeutung der Ressourcen der Westsahara gegen internationales Recht verstoßen würde. 

Zahlreiche Importeure haben über die Jahre ihre Beteiligung am Phosphatgestein von Bou Craa aufgrund von Aspekten des Völker- und Menschenrechts aufgegeben, zum Beispiel: 

  • Im Jahr 2010 gab die US-Firma Mosaic bekannt, dass sie die Importe aus dem Territorium gestoppt habe, nachdem sie mehrere Jahre lang Kunde der Bou Craa-Mine war, und dies "wegen weit verbreiteter internationaler Bedenken hinsichtlich der Rechte des sahrauischen Volkes in dieser Region."
  • Der norwegische Phosphatriese Yara erklärte, dass es "... unter den gegenwärtigen Umständen sinnvoll ist, kein Phosphat aus der Westsahara zu kaufen", und dass die Firma "hofft, dass das Land eines Tages befreit wird, und dann die Einwohner:innen davon profitieren werden, wenn wir ihr Phosphat schnell erhalten können".
  • Wesfarmers kündigte 2012 an, seine Importe einzustellen, ohne dies jedoch zu begründen. Investor:innen hatten das Unternehmen mehrere Jahre lang unter Druck gesetzt.
     

Innophos Holdings, ein an der New Yorker Börse notiertes Unternehmen, gab 2018 seine Entscheidung bekannt, keine Produkte mehr von Nutriens Werk in Baton Rouge, Louisiana, zu beziehen, "als Teil von Innophos' Verpflichtung zu allgemeiner sozialer Verantwortung und guter Unternehmensführung". Diese Entscheidung war mit ausschlaggebend für den Importstopp von Nutrien. Innophos nahm seine Importe leider 2021 wieder auf, nachdem das Unternehmen von der Börse genommen worden war. 2022 war Innophos das weltweit größte Importunternehmen.

Zu den Unternehmen, die langfristige Verträge beendet haben, gehören auch Lifosa (Litauen/Russland), Tripoliven (Venezuela), Monomeros (Kolumbien), Impact (Australien) und FMC Corp (USA). 

Das australische Unternehmen Incitec Pivot, das Phosphat seit Jahrzehnten aus der Westsahara importierte, hatte seine Importe im Dezember 2016 vorübergehend eingestellt, bezog aber im September 2022 eine weitere Ladung Phosphatgestein.

Anleihen von OCP werden an der irischen Börse gehandelt, wurden aber aus den Portfolios zahlreicher internationaler Investor:innen ausgeschlossen. Mehrere Dutzend institutionelle Investor:innen haben Anteile importierender Unternehmen abgestoßen und OCP aus ihren Portfolios entfernt. Allein der Pensionsfonds der norwegischen Regierung hat aus ethischen Gründen mehrere hundert Millionen US-Dollar an Aktien veräußert. 

Das spanische Unternehmen Siemens Gamesa, nun komplett in der Hand der deutschen Siemens Energy, spielt eine wichtige Rolle bei der Instandhaltung der Infrastruktur der Bou Craa-Mine. Auch Worley und Caterpillar erbringen Dienstleistungen für den Betrieb. Im Jahr 2020 trafen sowohl Epiroc als auch Continental die wichtige Entscheidung, ihre Lieferungen an den Bergbaubetrieb einzustellen. Epiroc hatte Bergbauausrüstung geliefert, während Continental Teile für das Förderband zur Verfügung gestellt hatte.

Mehrere Reedereien haben auf weitere Transporte aus der Westsahara verzichtet, nachdem sie von den ethischen und rechtlichen Aspekten des Handels erfahren hatten, wie etwa Spar Shipping, Jinhui, Golden Ocean, Ugland, Arnesen, R-Bulk, LT Ugland und Belships. Die dänische Reederei Maersk sorgte dafür, dass die frühere Beteiligung des deutschen Konzerns Dr. Oetker beendet wurde. 

Eine UN-Delegation, welche die ehemalige Spanisch-Sahara 1975 im Rahmen der Dekolonialisierung besuchte, stellte fest, dass "das Gebiet irgendwann zu den größten Phosphatexporteuren der Welt gehören wird". Nach ihrer Einschätzung würde eine freie Westsahara der zweitgrößte Exporteur werden, nur übertroffen von Marokko. Doch nur wenige Monate später marschierte Marokko in die Westsahara ein. In den letzten Jahren beliefen sich die Phosphatgesteinsexporte aus Bou Craa auf etwa 10% des gesamten marokkanischen Gesteinsexports. Die Jahresproduktion schwankte in den letzten zehn Jahren zwischen 1 und 2 Millionen Tonnen und trug wesentlich zur Finanzierung der Besetzung des Territoriums und der Ausbeutung der Mine bei. 

Marokko kontrolliert etwa drei Viertel der weltweiten Phosphatreserven. Der größte Teil der Exporte findet von Marokko selbst aus statt, während die Mine Bou Craa in der besetzten Westsahara nur einen kleinen Teil der Gesamtaktivitäten von OCP ausmacht. International und vor allem aus sahrauischer Sicht ist der Handel jedoch von enormer Bedeutung. 

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